Willkommen in der Anstalt
Nach weiteren lethargischen, doppelplusunguten Tagen voller salziger Tränen, zittriger Panikattacken, körperlicher sowie geistiger Leere, schmerzender Einsamkeit, innerer Eiseskälte, grausig durchgrübelter Nächte und der suspekten Situation, selbst einfachste Handgriffe nicht mehr korrekt auf die Reihe zu bekommen – angesehen von mitunter belebenden Sexdates, dafür konnte ich mich bis zuletzt ausziehen aufziehen [Siehe auch] – stand ich wiederholt vor der für Außenstehende gar nicht so exorbitant prekär erscheinende Wahl: Suizid oder Hilfe. Nun, die erste Variante scheiterte stets, weshalb ich mich nun erstmalig binnen 25 Jahren der Zweiten zuwandte – ein Novum! Willkommen in der Psychiatrie des Klinikums der Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Therapien, Tabletten und Pillen bestimmen nun meinen niedergeschlagenen Tagesablauf, unterbrochen von festen, zeitweilig leidlich mundenden Festschmausen und stundenlangen Phasen reiner, trockener Ödnis im stillen, grünen Paradiese des hauseigenen Klinikparks. Hier wird mir geholfen. Womöglich. Es ist die letzte Chance, die ich meinem eigenen, verkorksten Leben noch einzugestehen vermag. Denn gegenwärtig durchwebt lediglich blanke Inhaltslosigkeit meine sterbliche Hülle samt dessen Bewusstsein. Vollendetes Nichts und der sanfte Hauch des reizenden Todes. Nun, streng genommen möchte ich mitnichten in jener Institution hier verweilen, dürfte der Klinik auch jederzeit freiwillig erhobenen Hauptes den Rücken zukehren. Jedoch wüsste ich mit meiner selbst keinen Deut außerhalb der helfenden Gemäuer anzufangen; raffte ich mich dieser Tage doch nicht einmal mehr zum existenziellen Arbeiten auf; einer streng genommen bestialisch drögen Beschäftigung, welche ich zwar per se erfolgreich bewerkstellige, aber bei Lichte betrachtet weder ausführen will noch als spaßig, geschweige denn gar erfüllend empfinde. Und auch die Stadt Frankfurt am Main deprimiert für sich zurzeit ungemein; Alleinsein in einer fremden Metropole ohne direkte Freunde, sesshaft in einer leeren Wohnung, welche noch dazu in einer nachts und wochenends grenzdebil menschenleeren Bürostadt liegt, qualifiziert den stärksten Lebensmut, mindestens jedoch meinen eigenen vergewaltigten dazu, in tausend stechende Splitter zu bersten [Siehe auch].
Mein Leben gleicht, wie schon des Öfteren innerhalb dieses Blogs erwähnt, einem Trümmerhaufen, ach was, gar der MILF Mutter aller Trümmerhäufen. Obschon meine frühe Kindheit eine Glückliche ward; fröhlich und bunt, voller Tatendrang und lieber Freunde. Anno dazumal war ich frei, erträumte flauschige Wattebauschwelten, spann glitzernde Geschichten und bezaubernde Ideen, erschuf in trauter Mehrsamkeit Staudämme und Baumhäuser, tobte, tollte und kicherte lauthals umher. Nichtsdestoweniger begleitete mich Zeit meiner Kindheit eine tiefe innere Trauer. Ich beobachtete Umwelt und Menschheit, stundenlang, tagelang, monatelang. Still, neugierig und lauernd. Stellte bohrende Fragen, hinterfragte die daraus resultierenden, unsinnig oder halbwahr anmutenden Erklärungen – und erhielt wie so oft keinerlei befriedigende Antworten; “ich war ja nur ein Kind”. Eines, welches Vorgänge und Taten Erwachsener kritisch betrachtete; sie erschienen mir kontraproduktiv und unlogisch, da sie oftmals negative Reaktionen hervorriefen, Menschen sowie Umwelt schadeten und letztlich meines Erachtens in vielen Fällen lediglich den Vorteilen einiger weniger dienten. So suchte ich entmutigt etliche Male die Einsamkeit auf und weinte bittere Kindestränen, durchstreift sinnierend die umliegenden Lande, ließ allmählich gleichaltrige, für mich naiv und unreif wirkende Freunde hinter mich und umgab mich vermehrt mit der zufriedener stellenden, da ungleich weiser und erfahrenen wirkenden Gegenwart Erwachsener – primär Intellektuelle, Künstler und Lehrer. Sie vermochten mich mitunter zu verstehen und kommunizierten mit mir auf einer angemessenen Augenhöhe.
Dann: Kindergarten. Hier ward ich willentlich Einzelgänger gewesen, stand oft ganze Tage heulend zur Wand gerichtet gen Nirvana starrend und wollte mich den äußerlich betrachtet kindgerechten Spielkonzepten der Erzieher und Erzieherinnen nicht unterwerfen. Sie langweilten mich und schränken Freiheit und Kreativität ein, ich fühlte mich missverstanden, unterfordert und beleidigt – Selbiges galt für liebevoll arrangierte Kindergeburtstage. Die darauf folgenden vier Grundschuljahre bauten auf die vorherigen Eindrücke auf; ich ödete mich ungeachtet kleinerer Lichtblicke zu Tode, zog mich analog innerlich enttäuschter Miene zurück und stumpfe mental mehr oder minder absichtlich ab. Ich zwang mich, Fragen, Neugier, Freigeist und hiermit mein eigenes Wesen zu unterdrücken, wechselte in den Überlebensmodus; einzig und alleine erpicht darauf, die zäh verrinnenden, bedauerlich trostlosen Schulstunden routiniert überstehen zu können. Zur Angleichung an die breite Mehrheit stellte ich mich blond – ein Laster, welches mich bis zum heutigen Tage begleitet. Nebenher musste ich im persönlichen Umfeld einen mich tief berührenden Schicksalsschlag ob der Verunglückung eines Familienmitglieds verarbeiten, schluckte jedoch jegliche Emotionen und Gefühle in mich hinunter – und handelte gar bis zum heutigen Tage nach dieser perfiden Devise. Ich entzog mich der Obhut meiner Eltern und übernahm fortan eigenverantwortliche Selbstkontrolle.
Im Anschluss zur vierten Grundschulklasse entschied ich mich kurzerhand, auf eine in der Region neu entstehende, sechsstufige Realschule zu wechseln anstelle des mir jederzeit offen stehenden Gymnasiums, da ich vor letzterem intuitive Angst empfand – wohl aufgrund diverser vorangegangenen Erzählungen weit älterer Freunde und erlebter, schmählicher Begebenheiten mit Schülern eben jener “gehobenen” Schulart. Worauf ergo sechs Jahre ruinösen Stumpfsinns, isolierenden Außenseitertums und verbalen Mobbings auf dem eingeschlagenen Realschulpfade folgten – Andersartigkeit hinsichtlich freiwilligen Engagements im Schulwesen, privater Kontakte zu Lehrern und nicht zuletzt meine latente Homosexualität wurden in den Augen meiner Mitschüler und der mehrheitlichen Mentalität des bayerischen Landes nicht gerade gerne gesehen [Siehe auch]. Ich ward kein Musterschüler gewesen, Pustekuchen! Stach leistungstechnisch bei Weitem nicht heraus – sondern übte mich stattdessen im Untertauchen und unsichtbar stellen.
In just jener schulischen Einrichtung beschritt ich später den handwerklich-künstlerischen Zweig, die Route des geringsten Widerstandes. Denn andere mir zur Verfügung stehende Wahlfächer waren meines Erachtens entweder zu festgefahren und / oder schränkten mich in meinem Willen, alles zu hinterfragen und neue, unbekannte Wege zu beschreiten, ungemein ein. Dennoch wechselte ich nach der erfolgreich bestandenen Realschule und diversen körperlichen Ritzeinlagen aufgrund der bereits damals vorherrschenden Depressionen und des Hasses ob meiner selbst – resultierend aus meinen vergangenen Erlebnissen und der Schuldsuche in mir selbst – auf die Fachoberschule, da ich mir aus dubiosen Gründen einredete – untere anderem wohl auch aus dem Antrieb heraus, es allen “zeigen” zu wollen – den exotischen Beruf des Mikrotechnologen erlernen zu wollen. Folglich entschied ich mich auf der FOS für den anspruchsvollen, theoretisch geprägten Technisch-Mathematischen Zweig.
Ein irrwitziger Trugschluss, wie sich herausstellte, ich brauch bereits nach einem halben Jahr resigniert ab und wechselte über ein kurzweiliges Praktikum im journalistischen Umfeld in eine Werbeagentur als Praktikant für Werbetechnik und Beschriftungen. Die dortige Tätigkeit war interessant, abwechslungsreich – und, welch Verblüffung, langweilig, extrem unterfordernd und noch dazu in einer mental mehr als beschränkt wirkenden, ungemein beleidigenden Umgebung auf dem südöstlich gelegenem Bayernlande. Geistig schlüpfte ich bereits zu jener Zeit – primär digital – bewusst in die Rolle erdachter Persönlichkeiten, optimierte sowohl online als auch offline die Kunst, Mitmenschen zu beobachten sowie zu verstehen, Schwächen aufzudecken und jene Probanden letzten Endes in ihren Entscheidungen massiv zu beeinflussen. Dies vermochte meinen ermüdenden Alltagstrott zumindest bisweilen zu vertreiben und sorgte für mindere geistige Betätigung. Ich perfektionierte meine äußerliche Maskerade, lernte Denkweise und Emotionen gezielt zu beherrschen und meisterte die Manipulation anderer Menschen zu meinen Vorteilen und, wenn aus subjektiven Schutzgründen nötig, auch zu deren psychischen Leiden und Nachteilen. Ich empfand das Leben mit all seinen Facetten sowohl in der Vergangenheit als auch heute noch als ein logischen Regeln unterworfenes Spiel. Soziale Interaktionen, Regeln sowie Normen – Bestandteile einer ewig währenden Inszenierung. Ich spielte Emotionen und Reaktionen gegeneinander aus, gab anderen Menschen gerne auch einmal das Gefühl, selber auf der Gewinnerseite zu stehen – nur um letztlich doch selbst als Erster die Zielgerade zu passieren. Die meisten Menschen an sich sind meiner Erfahrung nach grundsätzlich erschreckend simpel und banal gestrickt – entsprechend leicht fiel mir schon immer die Einflussnahme auf jene substanziellen Eigenheiten jener Individuen. Nichtsdestoweniger betrog ich nicht nur meine Umwelt ob meines Lebens und meiner Gedanken, sondern ebenso meine Wenigkeit – und glich in letzter Instant der menschlichen Verkörperung eines kalten, seelenlosen Roboters.
Während des besagten Praktikums entdeckte ich die Erschaffung des Webs und die damit einhergehende, indirekte Kontrolle der User für mich und entschied mich daher im Anschluss, eine Ausbildung zum Mediengestalter in Fachrichtung Digital- und Printmedien zu absolvieren. Was sich als viel zu langatmig und, wie überraschend, unterfordernd herausstellte; das schnarchende Tempo in Berufsschule und Arbeitsplatz deprimierte mich von Neuem und förderte ergo auch erneut meine negativen Gedanken und Trauer; zumal mir die reine Arbeit am Computer im Grunde – suspekterweise – nicht zusagte. Ich lechzte nach Bewegung, Kontakten zu Menschen, gestalterischer Abwechslung. Jene Ausbildung brach ich in Zuge dessen nach eineinhalb Jahren schlagartig ab und wechselte in eine weitere Ausbildung zum Fachinformatiker in Fachrichtung Anwendungsentwicklung. Obwohl ich diese trockene, unkreative Thematik trotz meines auf mathematischer Logik ausgelegten Lebens im Herzen nicht ausstehen konnte. Und ich langweilte mich weiter. War zutiefst bedrückt und verzweifelt, dass ich nach wie vor nicht wüsste, was ich mit und in meinem Leben anfangen sollte. Ich hatte – und habe – weder Träume noch Pläne noch Ziele. Fühlte mich zurückgezogen und verlassen, missverstanden und verbittert. Wie so häufig weinte ich, Tag ein Tag aus. Ich weinte um das Leben, welches ich nicht kontrollieren konnte. Ich weinte wegen der tiefen Einsamkeit, die mein Herz erfüllt. Und ich weinte um meine Zukunft, eine Zukunft, die sich ungemein ungewiss anfühlte. Und Mies. Meine Laune ward im Keller gewesen, des Lebens Geiste aufgebraucht. Nach zwei weiteren Jahren übernahmen dann endgültig Finsternis, Schwermut in Vollendung und die Sehnsucht nach befreiendem Suizid die Kontrolle ob meines geschundenen, kindlichen Wesens. Aus gedanklicher Sehnsucht wurden konkrete, körperliche Impulse. Ich trat ab [Siehe auch].
Und überlebte via Zufall. Jedoch ward jene markante Aktion rückblickend durchwegs von zweifelhaftem Erfolg gekrönt. Metaphorisch gesehen. Ein Teil meiner selbst verstarb in jener Nacht kraft meines eigenen Amtes, ich verbarrikadierte unvollendete Kapitel meiner Vergangenheit hinter Schloss und Riegel und schöpfte gierig neue Hoffnung, junge, erquickende Kraft. Eines 10-jährigen Kindes gleich lernte ich die Welt mit neuen Augen zu schauen, hinterfragte erneut, empfand Freude an banal dünkenden Ereignissen und Dingen, lebte meine Sexualität offen und exzessiv aus und war imstande, Depression und Trauer kurzzeitig erfolgreich zu ignorieren. Ich bekannte Farbe und trieb’s zu bunt [Siehe auch].
Hervorgerufen durch diesen immensen körperlichen sowie seelischen Einschnitt erfolgten in derselben Werbeagentur ein weiterer Abbruch der Ausbildung zum Fachinformatiker und ein Jahr Festanstellung als Webentwickler – denn obwohl ich beruflich tat, was mir missfiel, war ich ungemein gut darin und beglückte sowohl Arbeitgeber als auch Kunden. Bis zum heutigen Tage zieht sich dies wie ein roter Faden durch mein Leben; was ich via Zufall respektive ungewollt anfasse, gelingt. Aus welchen mir schleierhaften Gründen auch immer. Jedoch vermochte ich mich nach wie vor weder unterzuordnen respektive einengen zu lassen, strebte nach schöpferischer und ideeller Freiheit und eigenen Entscheidungen, kündigte schließlich ohne Vorwarnung meinen Job und machte mich für zwei Jahre als Webentwickler selbstständig.
In dieser Zeit ward ich orts- und zeitunabhängig gewesen, benötigte lediglich Laptop, Strom und Internet zum Nachgehen meines Berufes. Reiste (und hurte) beschwingt durch Deutschland, lernte Menschen, Mentalitäten und Städte kennen – und parallel meine bis dahin bereits dritte feste Beziehung bei Frankfurt am Main [Siehe auch]. Welche jedoch nach wenigen Wochen purer Glückseligkeit durch den feurigen Selbstmord eines mir nahestehenden, ebenfalls depressiven Freundes auf eine ultimative, krasse sowie beeindruckend reife Prüfung gestellt wurde [Siehe auch]. Auf Hoch folge Tief, aber mit vollem Pfund aufs Maul.
Weiter im Kontaxt: Trauer, emotionale Eiseskälte und Verzagtheit übernahmen aufs Neue die Oberhand, bestimmten meinen und indirekt auch den Alltag meines geliebten Partners, forderten Kraft und persönliche Opfer. Ich lebte ein halbes Jahr einer urbanen Nomade gleich bei einer liebenswerten Freundin, einen gekonnten Steinwurf vom Hause des verstorbenen Leidensgenossen entfernt. Doch die Beziehung zu meinem Partner bestand fort, und so zog ich letztlich endgültig an seine tröstende Seite nach Frankfurt, ließ mein bisheriges Leben samt und sonders hinter mich und setzte mehr oder minder alles auf eine Spielkarte, materiell wie immateriell. Gab die sich lediglich für eine Person passabel lohnende Selbstständigkeit auf und suchte einen festen Job als Softwareentwickler in Frankfurt am Main, organisierte eine gemeinsame Wohnung, bot Sicherheit, Wärme und Geborgenheit dar – und stand dennoch von jetzt auf gleich urplötzlich und ohne Vorwarnung alleine auf weiter Flur [Siehe auch].
An einem fremden Ort, mit einem geisttötenden Job und immenser Horden eigener Probleme, welche mir in den zurückliegenden Wochen allesamt schwerer denn je zuvor zu schaffen machten; gnadenlos über mich hereinbrachen, mich zu ertränken drohten – und die seit 15 Jahren wütende Depression nun ein für alle Mal zu einem abschließenden, fanfarenuntermalten Finale drängten.
Ich wollte aufgeben. Respektive gab mich effektiv auf. War beim Einleiten meines Untergangs. Empfand und empfinde eine süße, verlockende Sehnsucht nach dem Tode, nach grenzenloser Freiheit [Siehe auch]. Nach einem Leben, bar jeglicher Langeweile, Demütigung, Unterforderung, frei von beengenden Konventionen unserer verlogenen, von materiellen Trieben gehetzten Gesellschaft, fern vom deprimierenden Joch, erwachsen auftreten zu müssen. Ich will frei sein.
Wollte ich frei sein?
Denn nun sitze ich aus freien Stücken heraus in der Psychiatrie, als definitive, letzte Rettungsmaßnahme meiner selbst. Bisher erneut apathisch und unterfordert – noch – aber auch mit freundlicher und in der Tat ungemein heilender Unterstützung. In den vergangenen Tagen taute ich geringfügig auf, entsagte dem inneren Winter und betrat unsicheren Fußes den lange vermissten, sondergleichen ersehnten Frühling des Jahres 2014. Ich empfand das erste mal seit Monaten das fremdartig scheinende Gefühl von Spaß. Erlangte innerer Ruhe. Einen Fick Seelenfrieden. Und handle nun nach der trivialen Devise: Alles oder nichts.
PS: Tippfehler und Konsorten gefunden? Mea culpa, dies hier ward alles via Smartphone getippt worden.
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