Durchgespielt: Halo 2 Anniversary

Durchgespielt: Halo 2 Anniversary

12 Stunden des Schnetzelns bedurfte es, um Halo 2 Anniversary – die Remastered Edition des 2004 erschienenen Halo 2 – einmal von vorne bis hinten durchzuspielen. Halo 2 Anniversary kam bereits am 11. November 2014 für die Xbox One heraus und steht seit dem 3. Dezember 2019 nun auch für den PC zur Verfügung. Grund genug, dem Spiel eine Chance einzuräumen und die inhaltlichen Irrungen und Wirrungen aus der Halo: Combat Evolved Anniversary Edition (auf die ich im 2020er Spiele-Resümee näher eingehe) gediegen weiter zu spinnen.

Restaurierung geglückt

Starten wir das Spiel, sehen wir zuerst einmal eines: Ein unübersichtliches Menü mit gefühlt Tausenden Untermenüs, Buttons, Optionen und Sackgassen. Die Halo Master Chief Collection dürfte sich in puncto Übersichtlichkeit nicht mit Ruhm bekleckert haben. Doch starten wir dann endlich Halo 2 Anniversary, empfängt uns eine hübsche, farbenfrohe Spielewelt, die qualitativ teilweise an Titel wie Mass Effect (2007) oder Dead Space (2008) heranreicht. Heutigen Maßstäben wird die überarbeitete Grafik bei Weitem nicht gerecht, doch ähnelt bei direktem Vergleich mit der frappierend schlecht gealterten Optik des originalen Halo 2, die wir per Druck auf die Tab-Taste verzögerungsfrei inklusive Soundkulisse jederzeit an- und abschalten können, nichtsdestotrotz einer aufwendig reproduzierten, weitergedachten und bisweilen ausgebauten Version des Urspiels. Halo 2 Anniversary tischt uns dynamische Schatten und globale Illumination auf, serviert punktuell Screen Space Reflections und dreht den Detailgrad der Level spürbar höher. Sie sind gespickt mit wuchernden Pflanzen, allerlei sinnfreiem Krempel, Steinen und Geröll sowie teils beeindruckenden architektonischen Verschnörkelungen. Charakter- und Waffenmodelle verfügen über eine deutlich höhere Polygonanzahl und vielen kleinen, individuellen Details. Texturen sowie Partikeleffekte muten stimmiger an und liegen selbstverständlich in einer merklich höher aufgelösten Version vor. Dessen ungeachtet kann es vorkommen, dass wir hie und da weiterhin über matschige Texturen und klobige Objekte stolpern.

Der grundlegende Aufbau der Level indes blieb unangetastet, wir joggen weiterhin Blut und Morde entfachend durch Schlauchlevel, Schlauchgänge, Schlauchcanyons und Schlauchgärten. Generell gleicht die gesamte Architektur der antiken Halo-Ringe und die von erfrischend neuen Schauplätzen wie High Charity, der Heiligen Stadt der Allianz, einem einfallslosen Sammelsurium aus Gängen, Fluren, Toren, Vorräumen, leeren Hallen und weiteren Gängen. Alltägliches Interieur, eine nachvollziehbare Infrastruktur (gerade innerhalb der Stadtlevel) oder selbst für eine weit fortgeschrittene Zivilisation als sinnvoll erachtete Größenverhältnisse suchen wir hier vergebens. Halo 2 Anniversary steht diesbezüglich seinem direkten Vorgänger in nichts nach: Levelarchitektur als Mittel zum Zweck.


Vergleichs-Impressionen aus Halo 2 Anniversary


Agil wie ein Containerschiff

Auch das eigentliche Gameplay verbleibt im Jahre 2004, die Frischzellenkur beschränkt sich ausschließlich auf kosmetische Aspekte. Dies ist auch nicht weiter schlimm, denn das Gameplay von Halo 2, insbesondere das knackige Gunplay, fühlt sich auch heutzutage noch frisch und kraftvoll an. Wir können die feindliche Brut zielsicher aufs Korn nehmen, gekonnt mit allerlei leichten wie schweren Vehikeln durch illustre Alienlandschaften pflügen oder anmutig wie ein stählerner, waffenstarrender Kolibri durch die Lüfte brausen. Einzig eine Sprintfunktion fehlt dem Spiel bis heute; der Master Chief steuert sich unfassbar träge und lahm, schleicht halbwüchsiger Schritte durch die unwirtlichsten Ecken der Galaxie und hüpft behäbig wie ein Luftballon auf und ab, selbst unter irdischen Gravitationsverhältnissen. Gerade im Kontext des davor gespielten Ion Furys, welches gleichauf mit der Geschwindigkeit eines Quakes ist, gleicht die Agilität des Master Chiefs der eines voll beladenen Containerschiffes. Glücklicherweise können wir Sensitivität und Geschwindigkeit der Maussteuerung beliebig nachjustieren, sodass zumindest die Eigenbewegungen und das Umdrehen schneller von der Hand gehen – oder wir greifen gleich klassisch zum Controller.

Herausstechend ist indes die hochwertig produzierte musikalische Untermalung des Spieles, die uns mal anspornend in die Ohren wummert, beruhigend dahin säuselt, panisch die Nerven kitzelt oder in den Hintergrund tretend eine atmosphärische Sinfonie der Sinne entfacht. Alle Geräusche und Musikstücke wurden für Halo 2 Anniversary neu abgemischt und qualitativ hörbar aufpoliert.


Halo 2 Anniversary OST – Breaking the Covenant


Ein, zwei, viele Eisen im Feuer

Das Wichtigste an Halo 2 Anniversary ist jedoch seine Story, und diese weiß bei Weitem mehr in den Bann zu ziehen als noch zu Zeiten von Halo: Combat Evolved. In der Halo 2 Anniversary Edition erleben wir eine logische Fortsetzung der Geschehnisse aus dem ersten Teil, selbstredend inklusive obligatorischer Momente des “es ist alles noch viel größer, verstrickter und gefährlicher als ursprünglich angenommen”. Im ersten Halo pulverisierten wir bekanntlich als Master Chief (unter Zuhilfenahme unserer smarten KI-Begleiterin Cortana) die namensgebende, vom antiken Volk der Blutsväter errichtete Ringwelt, die mitnichten als lebensbejahende Umgebung erdacht, sondern einzig und alleine als exorbitant mächtige Superwaffe konstruiert wurde. Mit dem Ansinnen, damit notfalls die Ausbreitung der Flood – einer schier unausrottbaren, zombieähnlichen und speziesübergreifenden Seuche – wirksam einzudämmen. Und wir zerknüllten diese erste Halo außerdem, um die Aktivierung eben jener Superwaffe durch die Covenant zu vereiteln, die sie im Rahmen ihres Glaubens mit der Aussicht auf die “Große Reise” verwenden wollte, um eine höhere Ebene des Bewusstseins zu erreichen und damit einhergehend im Radius von 25.000 Lichtjahren jegliches Leben inklusive der besagten Flood nachhaltig zu terminieren. Auch sich selbst – und die Menschheit.

All dies geschah auf und um die erste Ringwelt herum. Und droht sich nun im viel epischeren Ausmaße auf der zweiten Ringwelt zu wiederholen. Es versteht sich von selbst, dass wir als Master Chief nicht sonderlich begeistert von dieser Bedrohung sind und der scheinbar endlos kriegslüsternen Covenant einen neuerlichen Strich durch die Rechnung machen wollen. Mit überraschender Unterstützung aus den Reihen des vermeidlichen Feindes, welcher selbst zunehmend mit Intrigen und inneren Glaubenskonflikten zu kämpfen hat.


Halo 2 Anniversary PC Launch Trailer – The Master Chief Collection


Resümee

Nach Stunden des heiteren Körperteileabtrennens, bunten Alienzerspratzens und Floodzerstampfens endet Halo 2 schlussendlich mit der Zerstörung der zweiten Ringwelt – und einem nicht nur rachegetriebenen Angriff der Allianz auf die Erde. Letztere ist nicht nur sonderlich brüskiert ob der wiederholten Einmischung des Master Chiefs in die edlen Glaubensziele der großen Reise, sondern mehr denn je erpicht darauf, die Ringwelt letztendlich doch noch zu aktivieren. Wie das gehen soll, da ja beide bisherigen Halos als glimmende Trümmerfelder im All herumwabern? Nun, “es ist alles noch viel größer, verstrickter und gefährlicher als ursprünglich angenommen”. Stellt sich heraus, dass da draußen nicht nur zwei Halos existieren, sondern noch viele weitere, und sie alle durch die Zerstörung des zweiten Ringes erwachten und auf Eingabebefehle warten. War ja klar.

Halo 2 Anniversary ist nett. Nicht überragend, nicht schlecht, sondern ein solides Geplänkel für zwischendurch und aus historisch motivierten Beweggründen durchaus spielenswert. Meines Erachtens wird es seinem Ruf hinsichtlich Mechanik und Spielarchitektur nicht vollends gerecht, doch es punktet ohne Zweifel mit seiner fesselnden, bombastisch inszenierten und in aller Remastered-Pracht erstrahlenden Storysequenzen. Es sind wie so oft die inneren Werte, die zählen.

Glücklicherweise startete ich noch am selben Tage mit Halo 3 durch …


Eckdaten zu Halo 2: Anniversary

Subjektive Wertung:
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Entwickler:
343 Industries
Publisher:
Xbox Game Studios
Erstveröffentlichung (Steam):
03. Dezember 2019
Genre:
First-Person-Shooter
Website:
https://store.steampowered.com/app/1064270/Halo_2_Anniversary/

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