Mediengeile Überwachungsgesellschaft – ein Gedankenspiel
Unser aktuelles Gedankenspiel …
“Stell dir vor, es ist Krieg – und dein Fernseher ist kaputt!”
Dieser eine, weise Satz drückt ziemlich viel über das Wesen und das Medienverständnis unserer Gesellschaft aus. Die Durchschnittsdeutschen sind zu einem Mediengeilen, misstrauischen Volk geworden, ein Leben ohne Boulevardblätter wie der Bild-Zeitung, niveaulosen Talkshows und reißerischen Nachrichtensendungen ist für viele leider mittlerweile undenkbar geworden. Frei nach der Devise: “Hirn aus und vor die Glotze“. Oder “Das stand heut in der Bild, das muss stimmen!“. Katastrophen und Gewalt erfreuen sich dabei wachsender Beliebtheit. Ein Erdbeben in China mit über 70.000 Toten und 375.000 Verletzten ist ein gefundenes Fressen für die Presse, landauf-landab wird über nichts anderes berichtet; jedes noch so kleine Drama und Detail der unter der Katastrophe leidenden Bevölkerung wird live in tausende Wohnzimmer übertragen. Nun ja, bis zum Beispiel die Bild wieder einmal “Hier steht das Monster vor Gericht – Die grausamen Verbrechen des Horror-Opas” titelt. Das ist natürlich wichtiger als ein eine Naturkatastrophe. Wie leicht lassen wir uns eigentlich von Dramen enormen Ausmaßes ablenken? Wer erinnert sich heute noch an die 230.000 Opfer des Seebebens samt anschließenden Tsunami im Dezember 2004? An Hurrican Katrina, der im August 2005 eine gesamte Stadt in Trümmern legte? Dem Erdbeben im Hindukusch im Oktober 2005 mit 84.000 Opfern? Alles vergessen und verdrängt, es zählt einzig und allein das Aktuelle Leiden im Fernsehen. Wir stehen anscheinend auf diese immer krasser ausgeprägte Art des Extrem-Journalismus.
Kriminalität führt zu Angst
Jede noch so kleine Gewalttat in Deutschland wird heute – Dank der modernen Berichterstattung – öffentlich diskutiert und darüber ausgiebigst berichtet. Das mag den Anschein erwecken, dass die Kriminalität in unserem Lande noch nie so hoch wie Gegenwärtig war, hinter jeder Ecke könnte ein Vergewaltiger, Amokläufer oder Terrorist stehen. Und die breite Masse nimmt diese aufgebauschten Medienhypes gleich eines Süchtigen auf, andere humanitäre Katastrophen rücken in den Hintergrund. Deutschland ist böse, dein Nachbar ist böse und DU sowieso. Dass es früher weit mehr Morde und Vergewaltigungen gab, aber die damalige Berichterstattung nicht so ausgeprägt wie heute war, interessiert dabei keinen. Und diese allgegenwärtige Berieselung mit Gewalttätern, Terrorismuswarnungen und Killerspiele-Spielern schürt in der Bevölkerung einzig ein Gefühl – das der Angst. Angst vor den Anderen. Eine bessere polizeiliche Überwachung muss her!
Angst führt zu Überwachung
Diese allgegenwärtige Angst der Bevölkerung führ dazu, dass die Politik – vor allem in Wahlkampfjahren – aufhorcht: Die Leute wollen besseren Schutz vor dem internationalen Terrorismus und der “steigenden” Gewalt? Sie bekommen ihn, schließlich zählen auch die Stimmen der alt-eingesessenen deutschen Stammtisch-Fraktion. Ja, sie bekommen besseren Schutz – in Form von immer mehr Überwachungskameras, Sensoren, Vorratsdatenspeicherungen, Bundes-Trojanern, “Nackt“-Scannern, Internetzensur, dem großen Lauschangriff … die Liste ließe sich noch ewig fortsetzen. Es macht den Anschein, dass nicht nur wir uns gegenseitig nicht mehr über den Weg trauen, sondern dass der deutsche Staat seiner eigenen Bevölkerung gegenüber misstrauisch wird. 83 Millionen potentielle Terroristen/Amokläufer. Das Phänomen ist aber nicht rein auf Deutschland begrenzt, es tritt seit dem 11. September 2001 in allen westlich geprägten Nationen verstärkt auf. In Ländern wie Großbritannien geht die Überwachung mittlerweile so weit, dass autonome Überwachungsdrohnen eingesetzt werden, die – über der Menschenmenge fliegend – alles mittels hochauflösenden Videokameras und Mikrofonen überwachen.
Überwachung führt zu weniger Zivilcourage
Ein andere erschreckender Nebeneffekt ist die zu beobachtende sinkende Zivilcourage. Wenn sowieso alles überwacht wird, fällt es einfach, das Eingreifen im Gewaltfall der Polizei zu überlassen. Man selbst will damit ja nichts zu tun haben. Gleichgültigkeit wird somit zum Massenphänomen. Ein Beispiel ist ein brutaler Überfall auf einen Münchner Rentner in der U-Bahn – Zitat sueddeutsche.de: “Von den 15 bis 20 weiteren Fahrgästen habe niemand eingegriffen.” Genau solche Ereignisse werden daraufhin in den Medien wieder hochgehyped; über jedes noch so kleine schmutzige Details wird wochenlang ausführlichst berichtet. Und der Ruf nach besserer Überwachung wird noch lauter …
Sind die Medien Schuld?
Es stellt sich einem die Frage, ob also die Medien Schuld an dem ganzen Dilemma haben? Erschaffen nicht sie durch ihre übertriebenen Schlagzeilen, ihren Angstschürereien und Katastrophen-Berichterstattungen das Bild eines bösen Deutschlands, ja einer allgemein schlechten Welt? Haben sie Schuld an den krassen Entwicklungen in der heutigen Gesellschaft?
Eindeutige Antwort: Nein! Die Medien sind letztendlich auch nur wirtschaftliche Unternehmen, deren einziges Ziel eine möglichst gute Bilanz ist. Ob ein Bericht wirklich Sinn macht oder ob eine Katastrophe wichtiger als das Monster von nebenan ist, entscheiden nicht sie, sondern WIR als Käufer und Konsumenten. Die Medien selbst agieren in dieser Position eben einzig als das, was sie sind – Medien-Lieferanten. Nur das, was die Menschen lesen und hören wollen, verkauft sich gut – klar, dass sich Journalisten darauf einstellen.
Die Spirale dreht sich weiter
Unser weltweit einzigartiges, perfektes Leben bietet anscheinend zu wenig Gefahren und Ungewissheiten; egal was einem heute passiert, es gibt (fast) immer eine angenehme Lösung. Wir leben auf einem relativ sicheren und stabilen Kontinent, genießen den totalen Konsum-Überfluss und haben einen sicheren Sozialstaat, der uns – wenn nötig – hilft. Langweilig, oder? Genau, es fehlen Blut und Morde, Katastrophen und Gewalt; am besten Live. Extrem-Entertainment! Ein Teufelskreis!
Womit wir wieder bei “Stell dir vor, es ist Krieg – und dein Fernseher ist kaputt!” angelangt sind …
3 Kommentare
wirklich sehr sehr guter Beitrag,meiner Meinung der Beste, bitte weiter so
Ein wirklich sehr sehr guter Beitrag, meiner Meinung nach, da man heutzutage einfach nur noch mediengeil ist. Der Tag beginnt, indem man beim Frühstück, so fern man noch frühstückt, die BILD-Zeitung liest. “Polizist kastriert den Liebhaber seiner Frau” oder “Ich ließ meinen Mann sterben” sind mal wieder Topthemen in der heutigen. Es geschieht wirklich so viel Unheil auf dieser Welt, aber es scheint, als ob personenbezogene Themen interessanter klingen. Denn wann war denn mal zu letzt ein Erdbeben in Deutschland? Wir sind davon ja nicht betroffen. Allerdings, wenn jetzt schon ein Polizist zum Kriminellen wird, und das auch noch öffentlich, dann könnte das ja nun wieder passieren und wieder und es könnte zum Standart werden. Unser System scheint langsam zu versagen, denkt man sich dabei. “Bild dir deine Meinung” wird dabei zum Lebensmotto. Nur leider wird einem die eigene Meinung durch das Lesen dieser eben genannten Boulevard Zeitung nach und nach manipuliert. Es gab mal wieder einen Amoklauf. Das ist ziemlich tragisch, aber was so ein Artikel in der BILD nicht alles auslösen kann. Durch das ganze Herumgerühre in der Zeitung wird alles aufgewühlt und neue Gesetze müssen her etc sind die Folge….
Ich denke solange das sogenannte “School-Shooting” wie es in Amerika schon genannt wird noch nicht verstandartisiert ist, könnte man den Opferna uch dann mal ihre verdiente Ruhe gönnen und nicht monatelang nach der Tat noch in deren Leben herumschnüffeln.
Das Internet ist dann wohl das populärste und zu gleich manipulierendste Medium, was zur Zeit “kursiert”. Wer kennt nicht Youtube? Jeder kann mal eben heutzutage ein home-made-video drehen und es auf Youtube stellen. Dann spammt man am besten noch populäre Foren mit dem Videolink zu und schon hat man einige Tausend Views pro Tag. Seine Meinung, bzw was man als seine eigene Meinung verkaufen will, ist heutzutage kein Problem mehr, anderen kund zu geben. Das Internet machts möglich und verblödet die Jugend. Diese lassen sich zu sehr von solchen Videos prägen.
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