Gedankenspiel: Wenn ich 100 Milliarden Euro besäße …

Gedankenspiel: Wenn ich 100 Milliarden Euro besäße …

Gedankenspiel. Stell dir vor, eines schönen Morgens wachte ich niesend, da nasal durch eitlen Sonnenschein gekitzelt, auf – titanische 100 Milliarden Euro mein Eigen nennend. Verteilt auf Tausende, aller Herren Ländern Kreditinstituten. Akribisch verwaltet ob eines Stabs hoch motivierter Finanzdienstleister. Eine Schar, einzig und allein berufen, mein Vermögen stetig und methodisch zu mehren. 100 Milliarden. Oder 100.000.000.000 € – bar auf die Kralle. Mit Verlaub, ich wäre vermögender denn jede Staatsmacht auf Erden! Reicher als jede Stiftung. Oder Konzern. Milliardär. 100 Milliarden – jederzeit verfügbar. Welch den Körper kribbelnd durchfließende Macht. Champagner im Blute gleich, mit stimulierendem Kokain verquirlt. Macht ist geil! 100 Milliarden bedeuteten, es gäbe keine Grenzen mehr, ich wäre unaufhaltsam. Eine massive Institution der Macht. Einfluss in Personengestalt. Ein Einmannstaat.

Stressfreies Einkommen

Ich fühlte mich eines Milliardärs gleich – nur hundertmal besser. Die Frauenwelt läge mir in Scharen zu Füßen, welch grausige Wendung des Schicksals. Von heute auf morgen besäße ich jäh unzählige beste Freunde, unbesonnen Schwüre ablegend, ich sei doch schon immer eine unerreichbare Quelle der Inspiration gewesen. Es tröge der Schein, Streitereien und Meinungsverschiedenheiten hätte es nie gegeben. Friede, Freude, Eierkuchen. Und all dies ob des schnöden Mammons.

Ich shoppte bis zum Umfallen, kaum vermögend, mein – nun, Vermögen – gebührend zu verhökern. Stiege doch meine schier epochale Barschaft bei durchschnittlicher Verzinsung zu jeder vollen Stunde um weitere 475.000 Euronen an. Der Dank gölte den Effekten der perfidesten Erfindung der Menschheit: Zins und Zinseszins! Knechtschaft ehrlich arbeitender Schuldner, Geldquelle gechillter Kapitalisten.

Dekadenz in Vollendung

Gediegener Pomp und strahlender Reichtum beherrschten meinen bis dato allzu drögen, ungleich grauen Alltag. Krony, ein Jetset-Playboy – au weia! Dekadenz in Vollendung zählte ich zu meinen besten Fähigkeiten, zudem Arroganz, Eitelkeit und eine jedem Gettogangster den Rang ablaufenden Geltungsdrang. Ich sollte mir denn zum Manifestieren meiner neurreichen Aura eine Rolex zulegen? Mitnichten! Welch ordinäre Zuhälteruhr! Nicht umsonst produzieren Schweizer Manufakturen in präziser Kleinarbeit sündhaft teure Kleinode, kaum des Tragens geeignet! Das Teuerste wäre gerade noch so gut genug. Shoppingtouren durch Berlin oder gar Muc gehörten endgültig der düstren Vergangenheit an – ich flöge im güldenen Sonnenuntergang in meinem klubähnlich umgebauten Privatjet von Mailand über London nach Paris. Königliche Hoflieferanten fertigten mir aus hochwertigsten Materialien in formvollendeter Handarbeit edelsten Zwirn, derweil ich des nächtens in die Royal Suites der teuersten Sternehotels dieser Welt einkehrte – freilich niemals alleine 😉

Haus und Boot

Zählte ich etwas auf mich, kaufte ich mir zudem eine dem Stand entsprechende, schmucke Bleibe. Hinfort mit all den für nen Appel und ‘n Ei erwerbbaren 100-Millionen-Euro-Villen samt Privatstrand an der Adria oder in der Südsee. Bullshit! Geld ist Macht! Unvorstellbare Macht! Und Einfluss. Was läge mir also näher, als mir spontan das prächtigste Naturschutzgebiet in oder um Santa Monica anzueignen. Geld öffnet dem Einzelnen bekanntlich Tor und Tür, gleich aller penetranter Proteste diverser Naturschutzorganisationen. Du schätzt nun gegebenenfalls, ich plante ernsthaft, jenes Stückchen gänzlich jungfräulicher Landschaft mit einer vielschlafzimmrigen Villa toskanisch-mediterranen Stiles zu bebauen? Nope, mein dortiges Wochenenddomizil sollte der eine Milliarde Dollar-Wochenendabsteige in Russland mindestens in nichts nachstehen. Eher noch Richtung Burj Khalifa in Dubai, inklusive Lounges und meiner Agentur zur persönlichen Vermögensverwaltung.

Nächster ins Auge stechender Punkt meiner obligatorischen, papiernen Tagesliste bestünde im Kauf einer stattlichen 53-Meter-Yacht. Wobei, Moment, halt! Mit 100 Milliarden Euro sollte es mir ein Leichtes sein, dem billionenfach verschuldeten, künftigen nach China kommenden zweitplatzierten Staat USA einen entmilitarisierten Flugzeugträger der derzeitigen Nimitz-Klasse abzukaufen, mitunter gar die nigelnagelneue USS George H. W. Bush im Wert von 6,2 Milliarden Dollar. Anschließend gestaltete ich jenes schwimmende Bollwerk der Vernichtung in einen schwimmenden Party- und Wohnpalast um. Wahre Dekadenz versinnbildlicht sich mir erst dann, wenn Pulks monegassischer Jachten im Kielwasser meiner 333 Meter langen “Jacht” kentern und abblubbern. Beschränkungen, Bedenken oder gar Gesetze? Pustekuchen! Die Geschichte sowie mannigfaltige gegenwärtige Beispiele zeigen: Geld ist, wie bereits unlängst erwähnt, Macht, es steht über dem Gesetz. Über freien Meinungen. Über Beschränkungen. Ja, sogar über die Gewaltausübung diverser Staaten.

Meine Zukunftspläne

Sollte ich wieder erwarten dereinst alle materiellen Sehnsüchte geziemend befriedigt haben, folgte wohl das große Aufkaufen. Konzern um Konzern vereinnahmte ich mir ein, drückte ihnen meine persönlichen Initialen auf. Unternehmen der Unterhaltungselektronik, Medien, die Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt, Hightech-Konzerne, Ölindustrie und Bergbau und auch Cyberunternehmen wie Facebook, Twitter, MySpace und Konsorten inklusive aller bislang gesammelten Daten. Nichts wäre vor mir sicher, mein Einfluss stieg von Tag zu Tag. Macht, ich wollte Macht. Und Kontrolle. Über so ziemlich alle Lebensbereiche unserer modernen, westlich orientierten Konsumgesellschaft. Geld regiert die Welt. ICH regierte die Welt. Letzteres erreichte ich binnen kürzester Zeit durch eben jene getätigten Transaktionen. All diese Unternehmen böten mir sagenhafte Kontingente privater Infos und Daten – mehr, als jeder Staat der Erde in deren jungen Geschichte jemals sammeln konnte. Exponentiell nach oben schnellendes Wachstum und Einnahmen wären die Folge. Das Vermögen wüchse und wüchse, selbst an den glücksspieligen Börsen ließe sich die eine oder andere Milliarde scheffeln.

Wohlstand für alle

Staaten bibberten vor meinen Worten, erzitterten ob meiner Entscheidungen. Sollte dann mein weltweit gestreutes und obendrein allgegenwärtiges Vermögen dereinst die Eine-Billion-Euro-Mauer durchstoßen, stellte es nahezu das jährliche Bruttoinlandsprodukt ganzer Kontinente in den Schatten. Einige Regierungen dieses Planeten setzten folglich alles daran, mich bar jeglichen Aufsehens rückstandslos aus dem Weg zu räumen – wohl dem, der dann zum persönlichen Schutz eine kleine 4.000-Köpfige, aber bis unter die strahlend weißen Zähne ausgerüstete Privatarmee sein eigenen nennen darf. Mit dem weiteren Wachstum meines Vermögens reifte die Zeit weit größerer Ziele. Der nun folgende Part vermag in Fragmenten frappierend an Frank Schätzings “Limit” erinnernde Teilaspekte beinhalten – egal, seine heutzutage schon realisierbaren Ideen mussten hierfür einfach aufgegriffen werden. Massive Investitionen in Fusionsreaktoren sowie im Bau eines an einem stationären Satelliten fixierten Weltraumfahrstuhls stünden auf der Agenda. Mit dessen Hilfe ließen sich gut und günstig gigantische Mengen Materialien ins All transportieren – um unter anderem zum Bau der KSS (Kronos Space Station) beizutragen. Ebenso erfolgte die Planung und Konstruktion einer in der Menschheitsgeschichte erstmaligen Weltraumwerft zum Bau all-tagstauglicher Raumschiffe. Leichte, deutlich größere Transporter, welche nicht irdische Handicaps wie die Gravitation oder den Luftwiderstand überwinden müssen. Ziel meines ehrgeizigen Billionenprojekts wäre auf kurzfristige Sicht die Erschließung unseres grauen Erdtrabanten.

Die Zukunft der Menschheit

Die dortigen Helium-3-Vorkommen schürfte, raffinierte und transportierte ich gen Mutter Erde – als ertragreichen Rohstoff der dortigen, nimmersatten Fusionsreaktoren. Dies hätte laut meiner oberflächlichen Denke die Lösung der weltweiten Energieprobleme zur Folge, Wohlstand zöge in die Straßen all unserer Städte ein, Nahrung entstünde im Überfluss. Unendlich Energie, kombiniert mit der absoluten Kontrolle über Konzerne und Unternehmen, über Medien und Börsenmärkte – und auch über die weltweite Rüstungsindustrie. Kriege wären nicht mehr von Nöten respektive von Anfang an zum Scheitern verurteilt – der Gründung einer globalen, vereinigten Weltunion stünde folglich nichts und niemand mehr im Wege. Grenzen dienten rein ästhetisch-nostalgischen Zwecken, Sprachbarrieren fielen, Religionen vereinigten sich. Die Menschheit wäre erstmals eins. Neun Milliarden begeisterte Individuen zögen mit vereinten Kräften an einem Strang, arbeiteten an einer fantastischen Vision, brächen mit Stolz präsentierter Brust im Gleichschritt marschierend der Zukunft entgegen: Der sieghaften Eroberung unseres Sonnensystems und anschließend der gesamten Galaxis, um das Überleben der unanfechtbaren Krone der Schöpfung, unserer Spezies Mensch, auf Millionen Jahre zu sichern. Muhahahaha … Howgh, der Krony hat gesprochen!

Größenwahn? Mitnichten. Wohl eher ein Fall der berüchtigten, ausufernden Langeweile …

Ein Kommentar

Thread closed