The Drogeriemarkt-Konsumentin from Hell

The Drogeriemarkt-Konsumentin from Hell

Es ward die Existenz zweier Sorten Mensch beobachtet: Die eine kaufrauscht zielstrebig durch konsumptionsoptimierte Eingeweide bevorzugter Kaufhäuser, ergrabbelt Apple und ein Ei, sputet gen Kassenschalter, erwirbt und eilt beflissen von dannen. Die andere indes steht prinzipiell vor seiner leidgeprüften Duldsamkeit. Immer.

Kasse. Warteschlange. Er. Vor ihm: Mutmaßlich weibliches Geschöpf (pralle Brüste, wallendes Haar) samt Sack (Konsumgüter, auf zwei Drogeriemarkt­tragekörbe verteilt, und Handtasche in obligatorischer Seesackdimension) und Pack (Kinderwagen inklusive Fahrgast). Fahrgast blökt (was sonst). Warten. Warten. Weitergehen. Warten. Frisur mit Brüsten beäugt beiläufig Beute. Warten. Sie seufzt. Wendet, schest ins Ladeninnere, lässt Kinderwagen und Krempel unbeaufsichtigt zurück. Kehrt mit weiteren Drogerieprodukten beladen retour. Stellt sich erneut an. Wiegt den Wagen – und die komplettierte Beute ab. Fahrgast quäkt. Weitergehen. Warten. Ein scharfes Zischen entfleucht ihrem Munde. Gemurmel. Plötzlich tritt sie aufs Neue den Rückzug an, stürmt hinfort, fingert irgendwo irgendwie irgendwelches weiteres Gedöns hervor, stellt sich nochmals an. Fahrgast schreit, sie schnauft angestrengt.

Zappelt nervös vom einen Bein aufs andere. Weitergehen. Warten. Fahrgast klagt. Weitergehen. Warten. Dann, ach du grüne Neune, ist die Reihe an ihr respektive sie an Selbiger. Panisch reift die bittere Erkenntnis, dass nach gefühlten 30 Minuten des Wartens ungeheuerlicherweise abrupt Bedarf an Zahlungsmitteln erforderlich sein dürfte; das hätte keiner sehen kommen. In einem Geschäft. An der Kasse. Fahrgast brüllt. Bebrüstete Langhaarfrisur spitzfingert gen Seesack mit Henkeln, öffnet diesen, kruschelt bedächtig nach Geldkatze. Sucht. Wühlt. Stöbert. Findet Geldkatze. Fahrgast jammert. Der Rest wartet.

Sie derweil: Guckt unbeirrt zu, bis jedes des künftigen Besitzes beabsichtigte Produkt fertig gescannt wurde. Summe: 67,35 Euro. Öffnet erst dann die Geldkatze. Blickt hinein. Fahndet nach dem richtigen Fach. Filzt, wütet, gräbt. Fahrgast quiekt. Fängt an, dem ungeduldig mit den Fingernägeln trommelnden Kassierer laut zählend 1-Cent-Münzen feilzubieten. „Ein … zwei … drei … ein Zweicentstück, also insgesamt fünf … sechs …“. Hunderte. Tausende. Dann: Schrille „Dadadadida“-Melodie ertönt. Ihr Smartphone ist’s. Welches ungeniert zwischen Ohr und Schulter geklemmt und mit tiefgründigen philosophischen Betrachtungen ob vergangener Yogastunden besäuselt wird. Derweil Bargeldhaufen, nein -hügel, nein, -berge vor Verkäufer auftürmend. Um zu guter Letzt festzustellen, den eingeforderten Endbetrag um lächerliche zwei Cent zu verfehlen. Fahrgast flennt. Der Rest wartet.

Behaartheit mit Vorbau plappert munter weiter, Kleingeld­gebirgsmassiv in trautes Geldkatzen­domizil zurück pickend. Münze für Münze. Lässt hierbei eine 1-Cent-Münze zu Boden plumpsen; Groschen kullert, Brustträgerin mit sehr geiler Frise zetert, stellt Metallplättchen pausenlos quatschend nach, findet – und verstaut Selbiges mit Siegesmiene in Geldkatze. Neuerliches Münzchen entkugelt ihren spindeldürren Griffeln, selbes Schauspiel, Déjà-vu. Lacht hysterisch bis heuchlerisch ins Mobilgerät, wendet sich wieder der Zahlstelle zu, zückt blank gebügelten 100-Euro-Schein und überreicht diesen „the struggle is real“-Augen rollend. Verbindung bricht ab, Mobiltelefon empfängt törichte Schüttelbewegungen; wird kurz darauf per Touchgeste an unterbrochenes Telefonat anknüpfend weitergeführt. Bruchteile der Aufmerksamkeit gebühren nun wieder der Kasse. Fahrgast plärrt. Fahrerin transferiert – bärbeißige Blicke gen Kassierer, Wechselgeld in seichte Tiefen der Geldkatze. Erst einhändig, verabschiedet sich, legt auf, schmeißt Smartphone in Seesack mit Henkeln, dann beidhändig. Der Geldkatzen Kapazität droht zu erschöpfen. Wird in die Mangel genommen, gerüttelt, gerührt, nach Optimierungspotenzial sondiert und über die Grenzen des physisch möglichen beansprucht. Der Rest wartet.

Entlastung verspricht die Entnahme einer Treuepunktekarte – zuzüglich einer Payback-Karte. Und zweier Rabattbons über jeweils exorbitante 50 Cent. Fahrgast blubbert. Haariges Gehölz-vor-der-Butze-Wesen wedelt mit Karten. Kassierer initiiert Punkteüberführung, Fahrgast gurgelt, Bon unterliegt Inspektion. Resultat: abgelaufen. Fahrgast brabbelt. Sie erbittet penetrant erneute Prüfung. Diskutiert. Gestikuliert. Vergleicht sechs Monate mit „erst vor Kurzem“. Argumentiert. Verliert Diskurs. Resigniert. Moniert sich fispelnd. Formt Mutter aller Schmolllippen. Archiviert punktisch bereicherte Karten. Fahrgast gluckst. Der Rest wartet.

Behaartes Doppel-C wuchtet proppenvolle Geldkatze in Seesack mit Henkeln. Startet Eintütungsphase. Gemächlich, langsam, jedes Gut einzeln versetzend. Gravitation meldet sich zu Worte, Tüte fällt um. Krempel poltert. Fahrgast schluchzt. Zeugs wird abermals verräumt. Sprengt erwarteten Umfang. Dies erfordert Vorbeidrängeln an wartender Reihe, beherzten Griff unter die Kassentheke, Ertasten einer umweltfeindlichen Plastiktüte, Rückkehr zum Kassierer und wiederholtes Öffnen des Seesacks mit Henkeln – erpicht darauf, die Intimitäten der berstenden Geldkatze von Neuem in Leuchtstoffröhrenlicht zu baden. Fahrgast zetert. Der Rest wartet.

Mähne mit knackigen Knospen kramt, räumt, sichtet. Nestelt vier 2-Cent- und zwei 1-Cent-Hartgeldeinheiten hervor. Begleicht Tragetaschen­unkosten. Verstaut Geldkatze in Seesack mit Henkeln, findet Handtelefon wieder, rüstet sich damit. Startet finale Räumaktion, füllt Freiraum jüngst erworbener Tüte aus. Behäbig, in Zeitlupe agierend. Subjekt für Subjekt. Ja nicht zu schnell. Fahrgast jault. Der Rest wartet.

Kilosekunden, die sich wie Jahre anfühlen, später: Zack, feddich. Fahrgast weint. Hoffnungsvolles Raunen durchbricht die vor Spannung knisternde Stille.

Haarschopf mit frontalem Attraktivum begutachtet beiläufig Smartphonedisplay samt Uhrzeit und krallt sich ohne Vorwarnung Tüten und Kinderwagen, hechtet bar jeglichen Sterbenswörtchens hinaus, gleitet quer durch Passantenpulks hindurch und ward nimmer mehr gesehen. Wartende applaudieren. Tränen der Freude bahnen sich ihren Weg aus seinen Augen.

The Drogeriemarkt­konsumentin from Hell. Prinzipiell vor ihm spawnend. Immer.

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