Spielemusik ❖ my life is strange, too
Ich spiele viel – und ich spiele gerne. Weniger aus bloßem Zeitvertreib denn aus kulturellen, studierenden und erlebnisbegierigen Beweggründen. Denn Spiele gleichen schon lange keinen oberflächlichen Vergnügungskonstrukten mehr, sie erzählen fantastische, emotionale Geschichten. Lehren greifbares Wissen. Hinterfragen Moral und Ethik, Glaube und Leben. Wecken Kreativität und Schöpfertum. Führen wildfremde Menschen zusammen – und unterhalten zu guter Letzt auch noch höchst formidabel. All dies wäre viel schwieriger ohne passender musikalischer Untermalung. Spielemusik ist die Sprache der Leidenschaft – und sie schafft leidenschaftlich Leiden. Aber auch Momente der Euphorie, der Ergreifung sowie der Schwermut.
Die berührensten Stücke durchlebter Spiele, Melodien, an die mannigfaltige Erinnerungen wie auch Emotionen (und der eine oder andere Kater) gekoppelt sind, klöppel ich seit geraumer Zeit in einer YouTube-Playlist zusammen. Ungeordnet und unkommentiert, doch mit hohem ideellen Wert. Diese Liste – deren beinhaltenden Spiele unten aufgeführt sind – wird ständig erweitert und belauscht. Reinhören vermag sich zu lohnen, im Zufallsmodus bestenfalls. Und da diese wenigen Zeilen Text ernüchternd mau für dieses Blog wären, folgen nun noch ein, zwei, womöglich gar drei grobe Beschreibungen dessen, was sich ansatzweise beim Hören dieser Lieder in meinem Kopf abspielt. Zumindest gegen sie eine Sekunde davon wieder. Augen und Ohren auf!
Far Cry 4
Nepal. Himalaja. Ein geröllübersäter Grat mit karger, doch verhältnismäßig üppig blühender Vegetation unter einem strahlend ultramarinblauen Himmel mit ungewohnt intensiver Mittagssonne. Die Luft ist klar, kein Dunst trübt die unermesslich weite Sicht in die unberührten, schroffen Landschaften. Auf ferne Gipfel, schimmernde Gletscher und garstige Kluften. An verwitterten Holzstangen befestigte Fähnchen flattern wogend im steten, kühlen Luftzug. Bunte Nuancen in unwirtlicher Wüstenei, innige Gebete dem Himmel zutragend. Ein einzelner Bartgeier kreist aufgeweckt in den Lüften über seinem Kopfe, misstrauisch äugend. Er indes hangelt sich dessen ungeachtet wagemutig den Bergrücken entlang, ungesichert, doch erfahren, von Vorsprung zu Vorsprung hechtend. Kleine Steinchen lösen sich unter seinen ledernen Händen, kullern von dannen, stürzen prasselnd gen tiefen Schlund. Es ist die Gier, die pure Verlockung großer Schätze, welchen er erlag. Güldene Opfergaben, seit Jahrhunderten ungeschützt darauf wartend, geplündert und gebrandschatzt zu werden. Von frommen Wesen für die Ewigkeit gespendet, dem Reich Gottes so nahe – hier, inmitten abgelegenster, kaum erreichbarer Winkel. Höchste Konzentration ist gefordert, jeder Griff könnte sein Letzter sein; jeder Fehlschritt führte ins Verderben. Augen und Ohren sind gespitzt, erpicht darauf, Feinde zu orten. Geräusch etwa – von heranpirschenden Raubtieren, den deutlich trittsicheren Bewohnern dieser Gegend. Schneeleoparden, Schlangen und Schlimmeres. Oder ferne Bewegungen – von anderen Schergen und Glücksrittern, bestens geübt darin, Haudraufhelden wie ihn aus dem Weg zu schaffen. Professionell und ohne viel Aufhebens. Hier oben fände ihn niemand. Er ist einsam, doch nicht verlassen, denn die Gefahr; sie ist sein treuerster Begleiter. Sie – und die atemberaubende, unschuldige Schönheit der Natur, die jedes Opfer wert ist.
Stronghold Crusader
Schottland. Die Highlands. Die spätsommerliche Sonne taucht die Lande in das wärmende Licht des noch jungen Nachmittages. Kein Wölkchen trübt den Himmel. Wogende, hochgewachsene Grassteppe, soweit das Auge reicht, durchbrochen von vereinzelten Krüppelgewächsen und Ansammlungen dichten Buschwerks mit gelblich-orange getupftem Laub. Der feuchte, moorige Untergrund blubbert einlullend. Eifrige Insekten schwirren zielgerichtet durch die Luft, umfliegen tänzelnde Schwaden sirrender Mücken. Zirpende Grillen ertönen, dösend, entspannt, ja sonnenmüde wirkend – durchbrochen vom fernen Heulen eines einzelnen Wolfs. Ein kühler Nebel, kaum wahrnehmbar, kriecht sanft über den nassen Untergrund der wenigen, schattigen Mulden dieser goldgetauchten Weiten, schlängelt sich zwischen Wäldern satter, taubenetzter Halme und Tälern moosbedeckter Felsen hindurch. Noch fehlt es ihm an Kraft, doch er lauert, wird erstarken – und sich das Hochland untertan machen. Doch später erst, das Land gehört der Sonne. Sanfte Noten von Nässe, Modder und Morast, von Kräutern und Gräsern erfüllen das Ambiente. Und von Tod und Unheil. Von verbrannter Erde, kokelndem Pech, zu Asche zerfallenen Schicksalen. Von ewig währenden Fehden und grausamen Blutvergießens. Es ist die gnadenlose Fäulnis des Kriegs, welche einer geschliffenen, gemarterten Feste inmitten der schottischen Idylle entspringt. Einst stolz emporragend, ein Bollwerk der Macht, nunmehr zerstobenes Trümmerwerk. Krähen fleddern verwesende Leichen, Maden durchbohren zähflüssige Eingeweide. Ah, das Leben in der Burg, das waren gute Zeiten.
SimCity 4
Unbekanntes Terrain. Ursprüngliche Landschaften. Saftige Wiesen, ausgedehnte Urwälder, steil emporragende Gebirge und tief in den Fels hineingefressene Schluchten, durchzogen von rauschenden Flüssen und glitzernden, kristallklaren Seen. Die frische Luft ist außerordentlich rein, der tiefschwarze Mutterboden ungemein fruchtbar und das erquickende Wasser ein süßer Quell des Lebens, welches ringsherum in allen Facetten kreucht und fleucht. Eine vielseitige Flora und Faune, die ihresgleichen sucht. Ein Paradies auf Erden, Sehnsuchtsort, Garten Eden – bis die Erde zu zittern beginnt. Erbebt unter den alles zermalmenden Schaufeln und Rädern stählerner Kolosse, angetrieben von explodierenden Kraftstoffen in ihren zylindrigen Herzen. Haltlose Maschinen, Ungetümer und Vorboten des bevorstehenden Wandels, in den brüllend heißen Feuern weiläufiger, rußender Industrieanlagen geschmiedet. Erschaffen, um urwüchsige Wildnis vom Antlitz des Planeten zu fegen und urbar zu machen. Sie umzuwälzen, aufzureißen, auszubluten und zu planieren. Um Platz zu schaffen für breite Straßen, ausgedehnte Highways, schnurgerade Gleisanlagen. Für Leitungen und Kabel, Fundamente, Geschosse und Wolkenkratzer. Für Flug- und Seehäfen, Kreuzungen und Plätze, Konstrukte und Gebäude, unterirdische und aufgeständerte Transportkorridore. Wilde Wälder werden zu Großstadtdschungeln, Lichtungen zu Häuserschluchten, Hügel zu Plateaus, Flüsse zu gezähmten Läufen und Beschaulichkeit zu Stress und Hektik. Ordnung tritt ein, und die Natur den Rückzug an. Denn es herrscht fortan der Mensch.
S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chernobyl
Ukraine. Tschernobyl. Zornige Gefilde, das trifft den Nagel auf den Kopf. Es sind zornige Gefilde, übersäht mit zersplitterten Baumskeletten neben grob aufgeworfenen Hügeln. Dornengewächsen mit tödlichen Giften, rostendem Zivilisationsschrott und zerbröckelnden Ruinen. Mittendrin, am Rande eines düsteren Hains, ein Grüppchen rauer Gesellen. Mit finsteren Mienen, die glasigen Blicke gen Boden gerichtet, um ein loderndes Lagerfeuer rastend. Ein Fleischspieß brutzel über den Flammen, in fetten Rinnsalen trieft das schmackhafte Fett zischender Laute in die gleißenden Gluten. Es könnte ein Hund gewesen sein, oder besser, etwas Entstelltes, das ehemals einem Hund glich. Einer der Anwesenden spielt melancholische Weisen auf seiner abgegriffenen Gitarre. Obligatorisch anmutend, doch willkommen. Es ist Musik, die erhärtete Herzen wohlig-weich berührt – und im selben Zuge tausender Spinnen gleich eisige Schauer über die Nacken der Zuhörenden krabbeln lässt. Sie, das sind gezeichnete Seelen, die dort sitze, erschöpft vom täglichen Kampf ums Überleben; einzig angetrieben von der Aussicht nach Reichtum, Ruhm und Ehre. Mehr Wahn denn Streben. Gebrochene Gestalten, die verbissen schweigen, ja wortwörtlich ihre Zähne zusammenbeißen müssen, da sie sonst aufgrund der erlebten Gräueltaten markerschütternd schrien. Das einwiegende Knacken und Prasseln des Feuers, gemischt mit dem traurigen Klang des Zupfinstruments, regt zum Dämmern an – und überdeckt das andere, kaum Wahrnehmbare Bersten toten Geästs im angrenzenden Walde, hervorgerufen durch wuchtige, krallenbesetzte Pranken, welche sich langsam, aber zielstrebig in der undurchsichtigen Deckung des Forsts dem weithin wahrnehmbaren Feuer nähern. Gierig witternd, fletschend, geifernd und abgrundtief grollend; die Sehnen zum Äußersten angespannt. Es ist die Mordlust, die der Kreatur innewohnt. Die dort allen innewohnt. Und die der Zone erneut ihren teuren Tribut abverlangen wird.
Prey (2017)
Das Weltall. Jenseits des Mondes. Es ist eine Auszeit von der Hölle, vom beißenden Qualm schwelender Brände, ohrenbetäubenden Explosionen, kreischendem Stahl und wutschäumenden, dämonischen Lauten. Von Atmen erschwerenden Gasen und Hitze. Kaum aus der Schleuse raus, lagen von jetzt auf gleich die brodelnde Hölle hinter – und die eiskalten Tiefen des Nichts vor ihr. Perfekte Dunkelheit. Lautlose Schwärze. Stillstand. Bis – nun, bis nach wenigen Augenblicken des Gewöhnens der eigene Puls in den Ohren rauscht, angetrieben vom leise pochenden Herzen. Sachte, dann deutlicher, schließlich durchdringend. Keine Geräusche dringen ans Ohr, nur die der eigenen biochemischen Maschine Körper. Da, kleine helle Punkte durchbrechen die Schwärze. Flackernd. Erst ein paar wenige, dann Hunderte, Tausende. Ein Ozean aus funkelnden Lichtern. Schimmernde Schimären unerreichbarer Sterne – und heimeliger Behausungen anderer Menschen, irgendwo dort vorne auf des staubigen Mondes Grund. Obacht ist angesagt, denn Trümmer kreuzen ihre Bahnen; zerbogenes Metall, zerrissene Kabel, angesengte Möbel. Gliedmaßen. Manche langsam kreiselnd, andere wie Geschosse schnellend. Stumme Zeugen einer Katastrophe, der Einwirkung brutaler Kräfte, unerwartet, ohne Vorwarnung. Und dann ist da dieses vage Gefühl kriechender Blicke; die instinktive Vorahnung, selbst hier draußen heimlich beobachtet zu werden. Kalte Schweißperlen entspringen ihrer Stirn, die Sicht beschlägt merklich, Haare stellen sich auf. War da ein Schatten im Augenwinkel, noch dunkler als die düstere Finsternis drumherum? Sie verliert die Koordination, beginnt zu taumeln, ohne Halt, ohne oben noch unten. Der idyllische Schein trügt – Auszeit von der Hölle? Nein, die Stille ist eine Totenstille. Und alles, nur nicht still – sie schreit. Sie schneidet sich brüllend in ihren Kopf, zermartert das Gehirn. Es ist die trügerische Ruhe vor dem Sturm, es hat gerade erst begonnen.
❖ my life is strange, too
Enthaltene Spiele – Stand 25.07.2019
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