PEGIDA: Renaissance der Idiotie

PEGIDA: Renaissance der Idiotie

Deutscher Zeitgeist, Ende 2014: Brennende Asylantenheime, hohle Parolen samt Rechtschreibfehlern an unschuldigen Wänden und rohe Gestalten auf hiesigen Straßen. Wie kann eine vergleichsweise aufgeklärte Gesellschaft wie die unsere augenscheinlich aus dem Nichts heraus ein solches breites Maß grenzdebiler Idiotie hervorbringen?

Nun, bekanntlich hat die Freiheit der Rede den Nachteil, dass immer wieder Dummes, Hässliches und Bösartiges gesagt wird. Dumpfbacken, mitunter gebildet zwar und aus der otto-normalbürgerlichen Mitte der Allgemeinheit stammend, gedanklich jedoch der unumstrittene Abschaum respektive Bodensatz selbiger, proklamieren bar jeglicher Sinnhaftigkeit etliche Phrasen purer Realitäts- und Ressentimentverleugnung. Dies mag an und für sich nicht’s Neues darzustellen, jedoch überrascht die gegenwärtige Intensität dieses desolaten Phänomens. Es scheint gar, dass das feste Klammern an geistigen Schwachsinn dieser Tage seine Renaissance feiert; einmal mehr lautet die Parole: Hirn aus und Scheuklappen auf. Aktuellstes Beispiel: PEGIDA – Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes. Motto: Lasset uns immer wieder montags gemeinsam im Namen des ungefragten Europas unser heilig’ Abendländle vor der absoluten Terror-Islamisierung beschützen (und am besten im selben Zuge unterbinden, dass weitere Heerscharen unabendländischer Menschen deutschen Boden betreten – danke, böser Islam, dass du hierfür wider Willen als unfreiwilliger Sündenbock fungierst). Konstruktive Gegenargumente, welche die Forderungen der Kundgebenden als haltlos und ungerechtfertigt entlarven? Unzulässig, da diese zugegebenermaßen überzeugend schlüssig und plausible klingen und damit die eigene, unter Mühen aufrechterhaltene Kurzsichtigkeit gegenüber anderen Religionen und Ethnien ins Wanken brächten. “Wir haben recht und alle anderen sind Lügner, weil … ähm … weil wir recht haben!”. Beispiel gefällig? Kontaktversuch: “Lügenpresse” trifft PEGIDA | Panorama | NDR.

Der Tenor ist eindeutig: Diese nicht greifbaren “Islamisten” sind gruselig. “Der Moslem” – wer auch immer das sein soll – latent böse. Stammen aus dem Orient, nicht dem heimischen Okzident, und die dortigen Menschen sind uns Westweltlern seit jeher nicht ganz geheuer. Sie wollen uns alle bekehren, die Scharia einführen, einen muselmännischen Gottesstaat innerhalb good old Germany errichten. Ewig Gestrige; der zähe, braune Schleim beschämender Neo-Nazis und vereinzelter AFD’ler, nutzen PEGIDA wiederum als bequemes Trittbrett und machen lautstark Stimmung gegen Ausländer im Allgemeinen – mit denselben dumpfen Plattitüden wie eh und je: Ausländer sind ausnahmslos Schmarotzer auf unseren Kosten. Beziehungsweise eben doch nicht, schließlich nehmen sie uns allesamt fleißig arbeitend die Arbeitsplätze weg. Dieses gemeine, beflissen werkelnde, faule Pack! *Seufz*!

Obligatorische Phrasen wie “Ich bin zwar kein Nazi, aber …” oder “Ich habe ja nichts gegen Ausländer, jedoch …” erschallen seitdem verstärkt Land auf, Land ab aus stolzen peinlichen deutschen Kehlen. Mittlerweile nicht nur in Gegenwart schummriger Spelunken und versumpfter Vereine, sondern eben im medialen Rampenlicht besagter gutbürgerlicher Kleinstädte wie Dresden. “Ja, aber …” – nicht’s aber! Paar auf’s Maul, ihr erbärmlichen Organe der Volksdummheit?! Meinem mir selbst unterstellten gesunden Menschenverstand ist es schier unerklärlich, wie mutmaßlich gebildete Menschen – zufrieden, fett und verwöhnt zwar ob unserer vom materiellen Streben geprägten Überflussgesellschaft, jedoch mitnichten plump dumm – Probleme zu konstruieren vermögen, wo bis dato keinerlei reelle Probleme existierten. Trägheit und Langeweile treiben zuweilen seltsame, in einigen Fällen gar gefährliche Blüten. Ist es die Gier nach Balsam für die jener Menschen innewohnenden, unterschwellig rassistisch sowie menschenverachtend geprägten Adern? Ist es die Lust, unter dem Motto der Freiheit, dem höchsten und bitter erarbeitetsten Gute – gerade des deutschen Volkes – Unfrieden zu stiften? Das Verlangen, auf Teufel komm raus Missstände heraufzubeschwören, welche im Kontrast zu alltäglichen Herausforderungen Milliarden anderer Menschen auf diesem Planeten wie banale, schrumpelige Peanuts verblassen? Ist es die Angst vor dem Fremden, vor Neuem, vor frischem Wind in unseren Gefilden? Oder bloße fehlende Aufklärung? Sicher, in den Wunschvorstellungen manch eines Menschen verkörperte Deutschland in der Tat einen islamischen Gottesstaat – doch nicht minder existieren hierzulande innige Sehnsüchte gen einer christlichen Theokratie. Oder einer Wiedereinführung der absolutistischen Monarchie. Oder eines glorreichen Vierten Reiches. Altbackene Individuen gab und wird es immer geben.

Vermutlich ist die PEGIDA-Bewegung ein Symptom respektive eine Mische gefährlichen Halbwissens, Faszination am Mitläufertum (Gruppenzwang, der Klassiker), heimlicher Ängste, jahrelanger Heile-Welt-Politik und umnachteter Stammtischallüren. Und, dies mag auf partielle Gruppierungen innerhalb der Demonstranten zutreffen, gelegentlich doch auch Resultat mangelnder grauer Zellen. Tritt eine Idee in einen hohlen Kopf, so füllt sie ihn völlig aus – weil keine andere da ist, die ihr den Rang streitig machen könnte. Das Gedankengut etlicher PEGIDA-Demonstranten ist meines Erachtens ohne Frage rechtsextrem, will von dessen Denkenden jedoch nicht als jenes erkannt werden. Stichwort Stupidität – man muss schon etwas offensichtlich wissen, um so überzeugend verbergen zu können, dass man eigentlich nichts weiß.

Erstaunlich an PEGIDA vermag zudem der Umstand zu wirken, dass die historischen Leistungen der eigentlichen Montagsdemonstranten der ehemaligen DDR und somit Schöpfer dieses Wörterkonstrukts, welche mit ausschlaggebend für den Niedergang des Regimes im Osten waren, dank PEGIDA in den Schmutz gezogen werden. Schade, dass sich scheinbar wenige bis gar keine Teilnehmer besagter Demonstrationen über die Befleckung dieser Erinnerungen monieren; waren denn Kampf und Revolution für die Freiheit lediglich dazu gut, diese 25 Jahre später anderen Menschen ungeachtet der eigenen Geschichte erneut entziehen zu wollen? Vermeintlich – und so wird fleißig gewettert, marschiert, beleidigt und des Bürgers Angst geschürt – wie schon mehrmals im Laufe der Geschichte da gewesen.

Wohl wahr, dem deutschen Volke mangelt es offensichtlich nach wie vor an Weisheit und Lehren aus der Historie. Intelligent ist nicht, wer ungerechtfertigte Ängste auf Kosten anderer Menschen nährt und Kritik, die Kunst der Retrospektive ob des eigenen Wirkens und Denkens, unterbindet. Nein, Intelligenz ist die Fähigkeit, seine Umgebung zu akzeptieren. Vielleicht sollten die emotional getriebenen PEGIDA-Demonstranten für diesen ideellen Impuls einen kleinen Moment innehalten, dem notorisch unterforderten Kopfe die Oberhand gewähren lassen – und aktiv darüber nachdenken. Denn der Gedanke legt den Grund für die Tat – und diese spräche, gesunder Geister entstammend, die Sprache der Akzeptanz, Integration und des grenz-, religions- wie auch mentalitätsübergreifenden Friedens.

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