Ehe, wem Ehe gebührt

Ehe, wem Ehe gebührt

Die irische Bevölkerung stimmte kürzlich mit überwältigender Mehrheit für die gesetzliche Gleichstellung Homosexueller hinsichtlich Recht und Ehe – und siehe da: Das von manch Konservativen heraufbeschworene Armageddon blieb wie erwartet aus, lediglich knallende Sektkorken mögen sanfte Blessuren verursacht haben; von Katern tags darauf gar nicht sprechen. Ein weiteres Teil des globalen Normalitätspuzzles fand seinen rechten Platz (obgleich im Puzzle womöglich linker Hand drapiert). Seit dem Beginn des 3. Jahrtausends nach Sandalenfritze erlebte die queere Subkultur irrsinnig viel Bewegung hinsichtlich Akzeptanz und Gleichberechtigung, gerade in der westlich geprägten Hemisphäre – aber auch in Staaten, welche diesbezüglich unversehens positiv zu überraschen vermochten. In den vergangenen 14 Jahren vollzog sich ein außerordentlich gemeinschaftlicher Wandel, und ein Ende dessen ist nicht abzusehen. Denn seit dem Jahre 2001 trugen folgende Staaten die gleichgeschlechtliche Ehe in ihre Verfassung nach (Stand: Juni 2015):

Jahr Staat
2001 Niederlande
2002
2003 Belgien
2004 Massachusetts (USA)
2005 Spanien, Kanada
2006 Südafrika
2007
2008 Connecticut (USA)
2009 Norwegen, Schweden, Iowa (USA), Vermont (USA)
2010 Portugal, Island, Argentinien, New Hampshire (USA), Washington DC (USA), Mexico City (Mexiko)
2011 New York (USA)
2012 Dänemark, Washington (USA), Maine (USA), Maryland (USA)
2013 Brasilien, Frankreich, Uruguay, Neuseeland, Kolumbien, Rhode Island (USA), Delaware (USA), Minnesota (USA), Kalifornien (USA), New Jersey (USA), Illinois (USA), Hawaii (USA), New Mexico (USA), Utah (USA)
2014 Großbritannien, Luxemburg, Arkansas (USA), Oregon (USA), Pennsylvania (USA), Colorado (USA), Alaska (USA), New Mexico (USA), West Virginia (USA), Virginia (USA), North Carolina (USA), South Carolina (USA), Wisconsin (USA), Indiana (USA), Arizona (USA), Nevada (USA), Idaho (USA), Oklahoma (USA), Wyoming (USA), Kansas (USA)
2015 Finnland, Slowenien, Irland, Florida (USA), Texas (USA), Ohio (USA), Michigan (USA), Georgia (USA), Tennessee (USA), Missouri (USA), Alabama (USA), Louisiana (USA), Kentucky (USA), Mississippi (USA), Nebraska (USA), Montana (USA), South Dakota (USA), North Dakota (USA)

Merkst was? Ich wittere einen Trend. Wohl an, wir jungen Schwuppen und Lesben haben das kostbare Privileg inne, in Zeiten des ideellen Umbruchs hineingeboren zu sein; erleben den Beginn einer bunten Ära, ja den Beginn der Einkehr von Alltäglichkeit hinsichtlich sexueller Vielfalt und Ankunft respektive Integration in die Mitte der Gesellschaften. Unsere queere Subkultur verliert ihr Sub – wir werden, o Schreck, durchschnittliche, “normale” Bürger. Stolze Bestandteile unserer Gesamtkultur.

Doch wo Regenbogen, da auch Grauschleier: Nun, da der ewige Diskurs zur rechtlichen Gleichstellung schwuler und lesbischer Paare auch hierzulande neu entbrannte, regt sich, so trügt der Schein, vermehrt bitterer Widerstand. Einige wenige, oftmals ewig Gestrige, monieren den Verfall traditioneller Werte und Normen, kristallkugeln gar beflissen den damit einhergehenden Anfang des Endes der Spezies Mensch. So zitierte kurz nach dem Referendum der irren Iren Radio Vatikan den vatikanischen Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin mit den Worten: “Ich bin sehr traurig über dieses Ergebnis, die Kirche muss diese Realität berücksichtigen, aber in dem Sinne, ihre Verpflichtung zur Evangelisierung zu stärken. Ich glaube, man kann nicht nur von einer Niederlage der christlichen Prinzipien, sondern von einer Niederlage für die Menschheit sprechen.”

Harter Tobak von einer selber vom Aussterben bedrohten Institution. Nun, des katholischen Rentnervereins Genöle ungeachtet toleriert und akzeptiert meines Erachtens die Mehrheit der deutschen Bevölkerung Schwule und Lesben – und unterstützt deren Sehnsucht zur gleichberechtigten gegenseitigen Freiheitsberaubung im beiderseitigen Einvernehmen. Nicht nur aus jüngeren Kreisen, sondern meiner glückseeligen Erfahrung nach quer durch alle Altersgruppen stammt Befürwortung; von fröhlichen Kindern über rebellierende Teenies und lammentierenden Erwachsenen bis hin zu grauen Tattergreisen. Ausnahmen bestätigen selbstredend die Regeln.

Die #Ehefueralle gäbe es über Nacht, blockierten nicht ein paar geistig umnachtete Vertreter des Volkes ihrer eigenen verbohrten Meinung respektive mulmigen Bauchgefühls in dem Irrglauben, für die Mehrheit der Wähler zu sprechen, diesbezügliche Volksentscheide (tihihi, Scheide). Der Gegenwind scheint rau, es wird auf politischen Bühnen, in Talkshows, in Bahnen, an Stamm- und auch heimischen Tischen gewettert, geschimpft, beleidigt, gedroht und gemurrt. Homosexuelle seien wider die Natur, triebgesteuerte Perverslinge und eine Verleumdung Gottes heiligen Willens (Diskriminierung und Verfolgung Schwuler und Lesben hingehen legitim und im von Liebe erfüllten Sinne des Allmächtigen?). So weit, so wirr. Doch dies sind nur die Verzweiflungstaten weniger engstirniger Widerständler in dem vergeblichen Versuch, der unausweichlichen Gleichberechtigung doch noch einen eisernen, kalten Riegel vorschieben und hinsichtlich gesellschaftlicher Statuten im letzten Jahrtausend verharren zu dürfen.

Denn wie so oft sind die größten Feinde des Fortschritts nicht Angst oder Irrtum, sondern die Trägheit. Die Akzeptanz frischer Normen bedeutete schließlich, aus eingerosteten Strukturen auszubrechen, über den eigenen Tellerrand hinweg zu gucken und – woran die meisten Gegner der #Ehefueralle scheitern – sich einzugestehen, dass die bisherigen Überzeugungen womöglich nicht der Weisheit letzter Schluss entsprachen. Wandel geht immer auch mit einem Lernprozess einher. Der Nachteil der menschlichen Intelligenz besteht jedoch darin, dass man ununterbrochen gezwungen ist, dazuzulernen; manch einer jedoch lernte einzig, sich künftigen Dazulernens dauerhaft erfolgreich zu entziehen.

Es gilt: Individuen, welchen objektive Gegenargumente ausgehen, dies jedoch auf Beelzebub komm raus nicht zugeben wollen, neigen zu destruktiven Argumentationen wie Beleidigungen, Fanatismus, Hass und Gewalt. Wer nicht huren hören will, muss fühlen. Das liegt leider Gottes Kronys in der menschlichen Natur. Es sind diejenigen Personen, welche uns aufgeschlossenen Menschen tatsächlich leidtun sollten. Denn sie passen hinsichtlich ihres Gedankenguts nicht in unsere Zeit, fühlen sich womöglich überfordert und / oder unwohl. Und werden an diesem Merkel Makel früher oder später kläglich scheitern. Der schlimmste aller Fehler ist, sich keines solchen bewusst zu sein.

Sonnenklar, es wird immer stille sowie laute Gegner der Gleichberechtigung zwischen Homo- und Heterosexuellen geben; die freie Meinung ist schließlich unser kostbarstes, demokratischtest Gut. So wie es auch immer Befürworter der Atomenergie, Neonazis und Pizzaverweigerer geben wird. Doch der tief greifende Wandel durch die Gesellschaft gen Toleranz und Akzeptanz ist nicht mehr aufzuhalten; die #Ehefueralle allemal eine Frage der Zeit. Und in absehbarer Selbiger werde auch ich meinem geliebten Mann vor versammelter Tweepschaft aufgeregt das Jawort fiepsen und in den Genuss aller damit einhergehenden Ehe-Privilegien geraten dürfen 🙂

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