Danke, Gronkh

Danke, Gronkh

Weit über 7.000 Stunden – dies entspricht in etwa der Spanne, welche ich einem ganz bestimmten Manne verträumt, belustigt und stets begeistert an den Lippen hing. Dessen Ausführungen lauschte, aufmerksam jeder seiner Bewegungen folgte und mich ganz und gar ihm hingebend wiederholt vertrauensvoll fallen ließ. Tagsüber, aber vor allem des nächtens.

Die Schreibe ist selbstredend von Gronkh; seines Zeichens Schutzengel, Entertainer, Pseudofreund und treuer Begleiter durch düsterste und lichteste Momente der vergangenen 10 Jahre.

7.000 Stunden.

Stunden, die ich in sein legendäres Minecraft-Let’s Play sowie einem großen Teil seines youtube’schen Repertoires investierte. Und in das von 2012 bis ’14 ausgestrahlte Let’s Play Together mit Sarazar auf MyVideo, einem visionären Format, das seiner Zeit in der europäischen Medienlandschaft voraus war. In die Superhomies, diverse mediale Nebenprojekte und nicht zuletzt in unzählige freitägliche Strömchen auf Twitch, gerne Rotwein- und Gin Tonic-geschwängert. Ich investierte diese meine kostbare Lebenszeit in subjektiv empfundene Unterhaltung vom Feinsten – und bereue keine einzige Sekunde.

Gronkh ist durch und durch Geschichtenerzähler und Freizeitphilosoph. Wie der unauffällig wirkende nette ältere Herr von nebenan, welcher, wenn man ihm denn offen ergebenste Aufmerksamkeit schenkt, urplötzlich aus dem Vollen schöpft und so manch heiteren Schwank aus seinem facettenreichen Leben als haudegenscher Weltenbummler und Schwerenöter allererster Sahne preisgibt. Gronkh ist mitunter auch nur heitere Hintergrundberieselung, einer durchschnittlichen Arte-Dokumentation gleich, die einfach nur so nebenher säuselt, dann und wann mein Interesse auf sich zieht und damit doch Stille sowie Tristesse fernhält.

Ich schenke Gronkhs Werken nicht aus Gründen ihrer journalistischen Leistung mein Wohlwollen. Oder aufgrund ihrer bisweilen fehlenden künstlerisch eingespielten Dramaturgie. Oder ihres mitnichten laut und schnell geschnittenen Bombastikformates. Oder wegen des ihnen mitunter recht profanen inheränten Spieleskills. Nein, für derlei Bedarf existiert eine ganz eigene Klasse hyperaktiver, konsumoptimierter Let’s Player.

Ich schenke ihm meine Aufmerksamkeit, da er seiner Passion mit entschiedener Leidenschaft frönt und seinen Werken Heiterkeit, Tiefsinn und Seele verleiht. Ich gucke sie wegen all der unzähligen geschilderten Anekdoten und Geschichten, wegen all des gemeinsam durchlebten Freuens und Leidens im verbindenden Dasein als enthusiastische Gamer, die wir sind. Losgelöst von den starren Perspektiven als Ausführende und zuschauende Seiten. Ich gucke sie, weil ich Gronkh repetitive Stunden des Erdeklatschens, Bäumefällens, Felderharkens oder des zum xten Male ins ideelle Gespräch abgedriftet an einer entscheidenden Stelle eines Spieles Vorbeilaufens jederzeit verzeihen will.

Ich gucke sie, da ich mich in seinen zerstreuten Handlungen selbst wiedererkenne und dies seinen Werken eine zutiefst menschelnde Note verleiht. Quasi Imperfektion in Perfektion – doch mit Überzeugung. Eine dieser Tage verloren gegangene Tugend. Und ich gucke sie nicht zuletzt, weil ich damit Teil einer riesigen und seinesgleichen offenherzigenden Community sein darf, in der wir alleine und doch gemeinsam Freude an seinem Wirken und Handeln empfinden dürfen – und miteinander älter werden und daran wachsen.

Als Person des öffentlichen Lebens, die als begeisterter Spieler und Let’s Player unter Zuhilfenahme ihrer enormen Popularität und Reichweite durchaus als Spielekurator durchgehen dürfte (respektive Influencer), nahm er für mich im Laufe des vergangenen Jahrzehnts zunehmend die Plätze innigst vermisster Koryphäen papierner Spielemagazine aus Boomer- und Nullzigerjahren ein. Unermüdlich kramt Gronkh aus den schier unübersichtlichen, rauen Gestaden von Steam und Konsorten neue glänzende Spieleperlen und verborgene Geheimtipps hervor, die mich von Beginn der ersten Sekunde seiner Let’s Plays begeistern und denen ich in der Folge nach postwendendem Kauf selbst hingebungsvoll verfalle. Als da wären Cubeworld, Satisfactory, Starbound, Sheltered, Subnautica, Life is Strange, Banished, ABZÛ oder Firewatch, um nur einige zu nennen. Somit vermag mich Gronkh im übertragenen Sinne nicht nur direkt, sondern auch indirekt zu unterhalten; mit weiteren Hunderten bis Tausenden Stunden voller Emotionalität, Kreativität, Abenteuer und Spannung.

Doch Gronkh ist nicht nur authentischer Unterhalter, sondern auch inspirierender Lebenskünstler. Er stützte mich in Stunden der Depression, der Trauer, der Trennung und der Verzweiflung; ja bot mir inmitten tosender Gefühle und arger Verluste stets einen trauten, ruhigen Hafen dar. Er ist eine Konstante in Ären der Entropie. Und sorgte so etliche Male für den einen oder anderen klärenden Gedanken, für ein Lächeln auf tränenbenetztem Gesicht, für Aufheiterung inmitten des Trübsinns und Mut im Angesicht widrigster emotionaler Zustände.

Seine wiederholt zum Besten gegebene Lebensgeschichte weißt in Teilen frappierende Parallelen zu meiner Vergangenheit auf – und ist imstande, diesbezüglich ungemein zu motivieren. Zeigen die geteilten Erfahrungen doch, dass auf jedes Tief unweigerlich ein Hoch folgt und dass jede Wunde, so schmerzhaft sie auch sein mag, im Laufe der Zeit verheilt. Und während Gronkh so über die Jahre hinweg zwischen den Zeilen seiner Let’s Plays und in diversen berührenden Neujahrsansprachen sein eigenes Leben reflektierte, gefällte Entscheidungen überdachte und Erlebtes aufarbeitete, machte ich ähnliche Prozesse durch, reifte zusehends und bewältigte so manch schweres Päckchen aus meiner eigenen Vergangenheit. Klar, er ward weiterhin ein rein digitales, aus Photonen bestehendes Abbild seiner selbst; doch vermochte mich dank seiner eigenen unverfälschten Besonnenheit dahingehend zu animieren, mich meiner selbst zu besinnen und Hilfe zuzulassen. Und wenn der Rat gut ist, spielt es keine Rolle, wer ihn erteilt hat.

Es ist eine gewagte These, doch womöglich wäre ich ohne Gronkh dieser Tage nicht mehr unter den Lebenden. Mindestens jedoch nicht derselbe krude Knilch, der ich zum Zeitpunkt des Tippens dieser Zeilen bin.

Nun, selbstredend kenne ich die wahre gronkhsche Persönlichkeit nicht, so viel selbstkritische Medienkompetenz wohnt mir inne. Stattdessen unterliege ich lediglich aus der Warte eines Zuschauers, der ich in letzter Instanz nun einmal bin, dem Irrtum, ihn kennen zu meinen. Doch weder bin ich befähigt, seine nicht ausschließlich altruistisch, sondern durchaus unternehmerisch motivierte professionelle Unprofessionalität beurteilen zu können, noch den Wahrheitsgehalt seiner Schilderungen und Leistungen zu dechiffrieren. Nun werden ein paar Leute da draußen aufschreien und bereits die Heugabeln spitzen, doch keine Sorge – ich will all dies auch nicht weiter infrage stellen. Denn es zerstörte nachhaltig die fragile, unilateral und auf rein subjektiver Ebene existierende Bindung zu ihm und vernichtete gar manch wohlige Impression und flauschiges Abenteuer. Nein, die Freundschaft muss eine Kunst der Distanz sein, so wie die Liebe eine Kunst der Nähe ist.

Ich hoffe, ach wünsche mir, dass Gronkh Dreh- und Angelpunkt seiner, meiner und damit unserer breit gefächerten Community bleibt, dieser physische wie psychische Grenzen übergreifenden Wohlfühlfamilie. Bin überzeugt davon, dass er – sofern familiär wie gesundheitlich vertretbar – weiterhin ergeben für uns als Familienoberhaupt / Don und damit auch für mich als einzelnen Zuschauer da sein will und wird.

Und unabhängig davon nun, ob Gronkh im Verlaufe einer ganzen Dekade mein Leben zu beeinflussen vermochte oder nicht, mag ich diese Zeilen doch aus freien Stücken und von ganzem Herzen heraus mit folgenden zwei kleinen, doch mir umso bedeutsameren Worten besiegeln zu dürfen:

Danke, Gronkh.

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