Bettgeflüster: Minecraft – in einem Land vor unserer Zeit
Krony: So, Lukas, jetzt deck dich schön zu und träum was Süßes. Und danke unserem Herren, Notch, dass es dir so gut geht.
Lukas: Wie meinst du das, Daddy?
Krony: Nun ja, zeige einfach Dankbarkeit für alles, was du so hast. Du liegst hier immerhin in einem weiträumigen, luftigen Loft in 250 Blöcken Höhe, zugedeckt in einem angenehm weichen Bettchen, hast dazu noch fließend Wasser, Licht und einen Kühlschrank voll lecker Speisen.
Lukas: Aber das ist doch ganz normal, Daddy, das hat jedes Kind.
Krony: O nein, so darfst du nicht denken, mein Lieber. Zu meiner Zeit, als ich selber noch so jung wie du war, gab es all dies hier nicht. Ich wuchs unter völlig anderen Umständen auf, als du. Wir waren damals nicht so verwöhnt und zufrieden, mussten hart arbeiten und um unser täglich Überleben kämpfen.
Lukas: Aber hat dich dein Papi da denn nicht zu Bett gebracht?
Krony: Ach Lukas. Wir hatten damals noch nicht einmal Betten.
Lukas: Hihihi, jetzt flunkerst du aber, Daddy.
Krony: Nein, das ist mein voller Ernst. Damals, als ich etwa im Teenageralter war, lebte ich zusammen in unserer Dorfgemeinschaft mit meinem besten Freund Leinad am Rande unseres kleinen Dorfs, gar nicht weit weg von hier.
Lukas: Also mit Papi?
Krony: Ja genau, mit Papi zusammen. In einer kleinen, aber feinen Dirthütte – nicht in so strahlend weißen, glasdurchzogenen Wolkenkratzern wie wir heute hier. So war das eben im Alphatum.
Lukas: Du meinst Altertum, Daddy!
Krony: Nein Alphatum. So wird diese Epoche genannt, Lukas. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, genau. Und wir hatten damals einfach noch nicht das Wissen, und zum Beispiel ein Bettchen zu schustern, und schufteten daher nachts entweder so lange durch, bis es wieder hell wurde – oder wir kuschelten uns bibbernd Rücken an Rücken irgendwo hin und hofften, die Nacht heil überstehen zu können.
Lukas: Ja klar, Daddy, vor allem du und Leinad mit Rücken an Rücken.
Krony: Hey, psst! Auf jeden Fall besaßen wir damals noch keinen Luxus wie bequeme Betten oder so. Das ganze Leben war härter und schroffer als heute. Und trister. In jedem Bereich; das Licht war scharfkantiger, die Landschaften rauer, Farben kannten wir noch nicht und ja, sogar der Umgang zwischen Mensch und Tier war nicht der Freundlichste.
Lukas: Habt ihr euch mit denen gestritten, Daddy?
Krony: Nein, das nicht, aber wir schlugen zum Beispiel regelmäßig Schafe, um an Wolle zu kommen. Schafe spanken, eine unterschätzte Sportart. Ich war sogar richtig gut darin, neue Schafherden auszumachen und diese zu schlagen. Denn Schafe gab es damals auch noch nicht so viele wie heute, die waren sehr selten.
Lukas: Ja, Papi hat schon gesagt, dass du total gut spanken kannst.
Krony: Ähm ja. Genau. Wegen der Schafe.
Lukas: Und warum habt ihr euch aus der Wolle da kein Bett gemacht? Und keine Schere für die Schafe benutzt?
Krony: Nun, wir kamen einfach noch nicht auf die Idee, Betten und Scheren zu bauen. Wir hatten andere Sorgen in jenen schweren Zeiten. Und außerdem kaum Zeit, uns um solche Dinge Gedanken zu machen. Ich war mit deinem Papi oftmals tagelang unterwegs, um neue Schafe oder auch Hühner, Rinder und Schweine zu finden. Um Lehm zu graben. Oder auch, um ganz einfach Blumen zu pflücken. All diese Sachen waren einst kostbar und selten und es machte eine Heidenarbeit, so was zu suchen und zu finden.
Lukas: Ihr Doofis hättet doch nur eine Landkarte mitnehmen sollen.
Krony: Auch die gab es damals noch nicht.
Lukas: Hää? Wie habt ihr dann überhaupt wieder nach Hause gefunden, wenn ihr unterwegs ward, Daddy? Und hat dir da nicht dann dein Bauchii gezwickt, wenn du nicht zu Hause beim Essen warst?
Krony: Hehe. Lukas, wir orientierten uns damals an einprägsamen Landschaftsmerkmalen wie großen Bäumen und so. Von denen es übrigens auch nur eine Sorte gab, erst unsere beflissenen Entdecker fanden später Birken, Tannen und Dschungelbäume. Und Hunger verspürten wir sowieso noch nicht so wie heute. Natürlich aßen wir ab und an gegrilltes Fleisch …
Lukas: … hmm, lecker Rindersteaks!
Krony: Nein, das nicht.
Lukas: Warum?
Krony: Gab es noch nicht. Unsere Rinder setzen kaum Fleisch an, da es noch kein hohes Gras gab. Aber wir aßen Brot und Schweinefleisch, was zu diesen Zeiten noch eine heilende Wirkung besaß. Also, wenn dein Daddy hinfiel oder von einem Zombie gebissen wurde, aß er ein, zwei Stullen – und gut wars.
Lukas: Krass!
Krony: Ja, die Zeiten waren schroff. Aber irgendwie auch anders als heute. Nicht so hektisch. Nicht so kompliziert. Besinnlicher. Auf das Wesentliche reduziert. Ja, harmloser.
Lukas: Warum harmloser?
Krony: Nun, du kennst doch sicherlich die Märchen von Captain C. Reeper, dem alten Haudegen und Entdecker, oder?
Lukas: Ja klar, die kennt doch jeder!
Krony: Diesen C. Reeper gab es einmal wirklich. Ein kluger Mann, dieser Captain, und neugieriger Forscher. Er verhalf uns stetig zu neuen Technologien und vereinfachte unser Leben dadurch maßgeblich. Er entdeckte neue Länder, neue Rohstoffe wie den Sandstein oder eben völlig neue Techniken, wie wir beispielsweise den gehassten Zombies ein Schnippchen schlagen konnten.
Lukas: Was ist ein Schniefchen?
Krony: Schnippchen. Das bedeutet, dass du die Pläne von jemanden gekonnt durchkreuzt. In diesem Fall den Plan der Zombies, an unseren Beinen zu nagen. C. Reeper erfand eines Tages den Bogen, mit dem wir fortan jagt auf die lahmen Genossen machten. Die hatten damals ordentlich Federn zu lassen.
Lukas: Federn?
Krony: Ach, das verstehst du nicht, Lukas, das kennen nur wir Alten. Zurück zum Captain. Sein ungebremster Forscherdrang sollte uns eines Tages zum Verhängnis werden. Damals kehrte er voller Freude und Stolz von einer ausgiebigen Höhlenexpedition zurück – mit seltsamem, lila Gestein im Gepäck. Das sogenannte Obsidian, du kennst es sicher.
Lukas: Ja!
Krony: Anfangs wussten wir nichts mit diesem neuartigen Gestein anzufangen. Doch C. Reeper kam nach vielem Gegrübel auf die schreckliche Idee, einen Torbogen aus Obsidian zu bauen.
Lukas: Warum ist das so schrecklich, Daddy?
Krony: Geduld, hör mir doch erst mal zu, Kleiner. Also, als er so eines nachts noch am Werkeln war und keine Fackeln dabei hatte, entschloss er kurzerhand, mit seinem Feuerzeug Licht zu schaffen. Nichts ahnend, dass er damit uralte, verborgene, dunkle Mächte im Obsidian weckte. Ich erinnere mich noch an diese Nacht, als sei das erst gestern gewesen. Ich lag gerade mit Leinad in unserem Zimmer …
Lukas: … Rücken an Rücken?
Krony: Ja, natürlich Rücken an Rücken. Da machte es auf einmal einen lauten Knall, und die Luft war mit schrecklichem Geheule und markerschütternden Schreien erfüllt. C. Reeper hatte ausversehen das Tor zur Hölle geöffnet und wurde von dieser eingesogen. Wir zerstörten daraufhin das Tor, doch es war zu spät, das Böse war geweckt. Seit dieser Zeit werden wir regelmäßig von Ausgeburten der Hölle heimgesucht, die Jahre der Ruhe waren vorbei.
Lukas: Und … und was geschah mit Captain C. Reeper?
Krony: Dieser war nach jener Nacht über eine Woche lang verschwunden und tauchte dann urplötzlich in unserer Mitte wieder auf; wir wissen bis heute nicht, woher. Und irgendetwas passierte in der Zeit, als er weg und in der Hölle war, mit ihm. Er war irgendwie anders. Verändert. Böse. Wir stießen ihn auf jeden Fall einstimmig aus unserer Dorfgemeinschaft aus, da er unser aller Leben mit seinen leichtsinnigen Experimenten aufs Spiel gesetzt hatte. Bis heute hat er uns diesen Verrat an sich, wie er es nennt, nicht vergeben. Er braucht uns nur zu sehen, und explodiert dann fast vor Wut.
Lukas: Daddy, du machst mir Angst.
Krony: Keine Sorge, mein Kleiner – dieser Creeper, wie wir ihn heute nennen, kann uns hier drinnen nichts anhaben. Er scheut das Licht – und Moritz.
Lukas: Meine Mieze?
Krony: Genau, aus irgendwelchen unerklärlichen Gründen hat er panische Angst vor Katzen. Katzen und Hunde hatten wir früher übrigens auch noch nicht, die wurden erst auf einer unserer Entdeckungstouren gefunden und in unserem Land angesiedelt.
Lukas: Also ich könnte ohne Moritz nicht leben, dann hätte ich ja gar nichts zum Kuscheln im Bett. Wie hast du das nur ohne ausgehalten?
Krony: Nun, wir hatten ja uns, Leinad und ich. Wir kuschelten schon genug, glaub mir.
Lukas: Papii und Daddy.
Krony: Genau.
Lukas: Habt ihr da auch schon euer geheimes Erwachsenen-Stöckchenspiel da gespielt, wo ich nie dabei sein darf?
Krony: Ähm ja *hust* aber das gehört jetzt nicht hier her.
Lukas: Warum?
Krony: Egal, ich denke, es ist jetzt besser, wenn ich gehe und du nun einschläfst.
Lukas: Ich bin aber noch nicht müde, Daddy. Und ich habe noch sooooo viele Fragen.
Krony: Hmm, na gut, mein Lieber. Ein bisschen kann ich ja noch bleiben. Also, was liegt dir denn noch so auf dem Herzen?
Lukas: Ja, also, ähm. Ja, waren die bösen schwarzen Aliens, als du klein warst, eigentlich auch schon da?
Krony: Du meinst die Endermans? Nein, die wurde erst durch unsere voranschreitende Technologie angelockt. Du musst wissen, dass wir einige Jahre, nachdem wir Captein C. Reeper verstoßen hatten, Schwerter und Rüstungen aus Diamanten besaßen. Und damit den Mut sammelten, das alte, zerstörte Tor vom Captain neu aufzubauen – um die dahinter vermutete andere Seite der Welt zu erkunden. Was soll ich sagen, wir waren jung und mutig, jugendlicher Leichtsinn und das Streben nach Ruhm und Ehre brachten uns auf diesen Gedanken. Und wir waren uns sicher, dieser Herausforderung gewachsen zu sein. Schließlich entwickelte sich unser Dorf damals zu einer kleinen, ansehnlichen Stadt mit vielen hochgerüsteten Einwohnern. Wir hatten Monsterfallen, Verteidigungsanlagen, Mauern und massig Fackellicht. Also schritten wir eines Tages durch das Tor in die Hölle – und fanden uns in einer völlig anderen, tödlichen Umgebung wieder.
Lukas: Und aus der kommen die Aliens her?
Krony: Nein, die wurden eben durch unser Licht angelockt. In der Hölle entdeckten wir seltsame Leuchtsteine, welche wir unter großen Verlusten abbauten und in unsere Stadt brachten. Damit waren wir endlich in der Lage, unsere Stadt heller und freundlicher als mit den ollen Fackeln zu beleuchten; unsere Stadt machte die Nacht zum Tage. Schon von weither war sie zu sehen – leider auch aus dem Weltall. Erst unsere hellen Behausungen lockten die düsteren Aliens von ihrem ebenso düsteren Asteroiden auf unsere Welt. In unseren Heiligtümern, den verfallenen Festungen vergangener Zivilisationen, öffneten die Aliens geheime Portale. Aus ihnen strömten sie in Scharen und fielen wie eine Plage über unsere Welt her.
Lukas: Brr, stopp, hör auf, Daddy! Davon bekomm ich nur wieder Angst.
Krony: Oh, das tut mir leid, Lukas. Das wollte ich nicht. Keine Sorge, auch die können dir hier drinnen nichts anhaben, die haben hier keine Macht über dich. Und ich bin ja da und passe auf dich auf und Leinad ja ebenso.
Lukas: Okii.
Krony: So, wir sollten nun wirklich Schluss machen für heute, es ist schon sehr spät, wie die Uhr zeigt. So was hatten wir ja früher übrigens auch nicht.
Lukas: Echt?
Krony: Ja, aber das ist eine andere Geschichte, jetzt ist erst mal Schlafen angesagt. Und jetzt trink noch diesen neuartigen Trank hier, damit am Knie deine Schürfwunde von heute Nachmittag schön verheilen kann, und ab ins Land der Träume. Hier, ich deck dich sogar zu, und da haste noch dein Gutenacht-Küsschen, Lukas. Und ich schalte dir sogar noch das Licht aus und werde mich dann zu deinem Papi ins Bettchen kuscheln.
Lukas: Rücken an Rücken?
Krony: Jepp, eh klar, du süßer Balg, du. Also, gute Nacht, mein kleiner Lukas, schnubbel mal fein und träum was Süßes – morgen früh wird dich die Sonne im Gesicht kitzeln und ein weiterer sonniger Tag auf dich warten.
Lukas: Okii. Gute Nacht, Daddy. Ich hab dich dolle lieb!
Krony: Ich dich auch, Lukas, ich dich auch …
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