Ach wie lieb, ein Meisterdieb – Thief: Dark Project
Ah, der sanfte Nebel des frühen Morgens. Alle respektablen Leute sind jetzt wohl im Bett – es wird Zeit, dass wir verrufenen Gestalten uns an die Arbeit machen!
– Garret –
Sprachs, und schlich von dannen. Die Rede ist natürlich von Garret, der knüppelschwingenden, verruchten Gestalt aus einer der atmosphärisch faszinierendsten Spielreihe aller Zeiten: Thief: Dark Project – der Meisterdieb. Mir kommt es vor wie Wochen – dabei war es gestern Nachmittag – als ich mein altes, verstaubtes CD-Regal entrümpelte und mir abrupt eine CD-Hülle auf den Kopf fiel, prompt gefolgt von einer herrenlosen Vase. Neben Sternen sah ich in dem ungeschickten Malheur die Notwendigkeit, selbige in die Tonne zu treten – aber eben auch eine eindeutige Botschaft.
Denn besagter Datenträger sprach zu mir, nein, er flüsterte mittels einer grusligen Stimme in meinem Kopf: “Nimm mich, öffne mich, steck mich rein (in das Laufwerk, Anm. d. Red. ;)) und spiel mit mir!” Es handelte sich um Thief: Dark Project! Schockschwerenot. Erinnerungen werden wach. Gefühle. Emotionen. Brr, ein Schauder läuft mir über den Rücken. Aber gesagt, getan. Spiel installiert, auf aktuelle Version 1.33 aktualisiert und gestartet. Und – was soll ich groß ausschweifen – es funktioniert, allerdings nur, wenn dem Thief-Prozess im Taskmanager nur ein einzelner Prozessor zugewiesen wird.
Baut eure Häuser aus totem Holz. Baut eure Mauern aus totem Stein. Baut eure Träume aus toten Gedanken. Kommt das Leben weinend, lachend, singend wieder, nehmen wir, was ihr gestohlen, und ziehen euren toten Knochen ihre kranken Häute ab.
– Tontafel aus einem verlassenen Tempel des Schwindlers –
Erste Mission: Lord Baffords Anwesen. Der alte Lord ist außer Haus und die zuständigen Wachen ertränken die ihnen gegebene Freiheit in massig Bier und Wein. Ideal also, für Cutty – einem alten Auftraggeber Garrets – das vererbte Zepter des Hauses zu stibitzen. Und nebenbei teures Tafelgeschirr und abgestaubtes Geschmeide – nun – abzustauben. Über einen alten, unterirdischen Fluss gelange ich als Garret in den Keller des großräumigen Anwesens uns muss dort gleich am Anfang mittels Wasserpfeils eine Fackel löschen, um eine allzu störende Wache in das Land der Träume zu knüppeln. Ein Schwert besitzt Garret zwar auch, doch er ist mit Leib und Blut ein Langfinger, kein Kämpfer. Mehrere Räume, Treppen und Knüppelschläge später stehe ich endlich vor meinem Ziel, vor dem kostbaren und sauber aufbewahrten Familienzepter. Drei zwei eins – meins!
Vor ihrem Tod mussten die Lügner die Hände der Diebe fressen. Und die Diebe mussten die Zunger ihrer Brüder, der Lügner, verschlingen. Und wir priesen den großen Erbauer für sein Urteil.
– Aus dem Hammeritenbuch der Glaubenssätze –
Fuck, da lief dann wohl etwas schief. Die Hammeriten, eine religiöse Gemeinschaft, die den Erbauer anpreisen, verhaften Cutty und verbannen ihn in das berüchtigte Cragscleft-Gefängnis. Nachdem mir noch der Lohn des letzten Auftrags fehlt, entschließe ich mich kurzerhand, ihn zu befreien. Leichter gesagt als getan, das Gefängnis befindet sich im oberen Bereich eines alten Bergwerks und beinhaltet dort auch die heiligen Schmieden der Hammeriten – saftiges Geknüppel ist vorprogrammiert. Im unteren Teil des Bergwerks treiben sich dafür massig Untote herum, welche sich einzig mit einem Weihwasserpfeil endgültig erlösen lassen – ein deftiger Knüppelschlag wird von denen nur mit einem übel riechenden Gähnen weggesteckt. Endlich in Cuttys Zelle angekommen, liegt dieser leider aufgrund der unmenschlichen Verhältnisse wegen einer Lungenentzündung im Sterben. Kurz bevor er das Zeitliche segnet, verrät er mir noch, wo ich – als Bezahlung – ein wahrlich wertvolles Relikt vorfinde: Das sogenannte Quinus-Horn.
… und die Menschennarren häuften Stein auf Steine und bauten ihre Dächer. Hammeritensägen rissen die Haut vom Holz… und lachten dem Waldfürst ins Gesicht. … und als der Herr dies erfuhr, hetzte er seine Bestien auf die Narren, die das Fleisch zerrissen, zersägen und ihm ein Haus aus faulenden Häuten bauen.
– Aus dem Lied der Schwindlers –
Einziger, “kleiner” Haken: Es liegt im Quinus-Familiengrab. In den verschütteten, feuchten Katakomben unter der Stadt. In ihnen wimmelt es nur so von fiesen Fallen und schlurfenden Zombies. Dazu gesellen sich übel gelaunte Drachenechsen, die gerne in schummrigen, von Leuchtpilzen erhellten Höhlen wohnen. In Höhlen und Gängen, die unberechenbar sind, voll dunkler Stellen und Überraschungen stecken. Gruslig. Gesteigert wird die nervenzerreisende Anspannung durch das stetig präsente, aber dennoch geheimnisvolle und leise Heulen des Quinus-Horns, es ruft nach dir! Ehrlich, ich hatte mich damals wahnsinnig vor diesem Level gegruselt und insgesamt viele, viele Stunden benötigt, um es durchzuspielen. Auch heute noch läuft mir dieser eisige Schauer über den Rücken, wenn ich immer tiefer und tiefer in die kalten Gräber herabsteige. Doom 3 kommt mir im Vergleich dazu wie ein Ausflug auf dem Ponyhof vor.
Da die Zeit der Gefahr nun nahte, tat sich die Erde auf, und die Toten suchten unruhig Schutz bei uns. Unsere Eisenreifen und Steinhämmer vermochten sich nicht durchzusetzen, und einige zweifelten am Plan des Erbauers. Doch die Siegel hielten Stand. Die Wenigen siegten, und die Zweifler wurden in das Fundament des neuen Heiligtums eingebettet.
– Aus den gesammelten Briefen des Schmiedes-im-Exil –
Und so geht das Level für Level weiter, Garret verstrickt sich durch sein Handeln in eine diabolische Verschwörung der drei vorherrschenden Fraktionen – der Hammeriten, der Hüter und der Heiden. Das Ganze spielt sich in einer mittelalterlichen, städtischen Steampunk-Umgebung ab, schön gemischt mit mystischen Wesen und geheimnisvoller Magie. Das Spiel hat seine ganz eigene, bislang unerreichte Atmosphäre. Sowohl die Soundkulisse als auch das Gameplay suchen nach wie vor seines gleichen. In Dark Project schleichst du durch Katakomben, durch eine Kathedrale, durch Anwesen und unterirdischen Gängen. Durch ein Haus mit endlosen Treppen, wirren Gängen, optischen Täuschungen und Räumen, in denen der Boden an der Decke ist. Oder anderen Räumen mit unendlich tiefen Abgründen. Oder Türen, die sich an der Decke befinden. Irre! Dazwischen findet sich immer das Eine oder andere Wertvolle, dass du dir schnell einheimst.
Ohne der vielfältigen Hilfsmitteln ist ein Großteil der Levels nicht spielbar. Dazu zählen neben den normalen Breitkopfpfeilen auch die Wasserpfeile – um Fackeln zu löschen oder diese mit Weihwasser zu tränken, Lärmpfeile – um Feinde abzulenken, Seilpfeile – um scheinbar unerreichbare Bereiche zu erklimmen, Moospfeile – um auf lauten Untergrund leise schleichen zu können, Gaspfeile – um Gegner zu betäuben, Feuerpfeile – um … nun, du kannst es dir sicherlich schon denken. Diverse Granaten und andere Wäffelchen tun ihr Übriges.
Wir sind Schutz und Schild von Luft und Erde und müssen stets ihrer gedenken. Lasst sie auf ewig sicher weggeschlossen, doch immer im Blick der Gläubigen sein. Künftige Generationen sind Geiseln unserer Obhut.
– Predigt der Talismane –
Gut, die schon damals recht angegraute Grafik mag heute keinen Schlimmfinger mehr vom Hocker reißen, dennoch kann ich dir nur ans Herz legen, dieses Spiel irgendwo in den Tiefen des Internets zu ersteigern und durchzuspielen. Dark Project stammt aus der legendären Spieleschmiede “Looking Glass” und ist definitiv ein Stück Spielgeschichte, der Urvater aller Schleich- und Knüppelshooter. Düster, verrucht und spannend. Gezeichnete, schemenhafte Zwischensequenzen und immer wieder auftauchende Ausschnitte aus den verschiedensten Büchern der Hammeriten und der Heiden sorgen auch zwischen den Missionen für atmosphärischen Tiefgang. Die in diesem Beitrag stehenden Zitate entstammen übrigens ebenfalls dem Spiel. Genial! Oder?
Und er sprach: “Sollten wir diese Macht nicht benutzen, so wie unsere Feinde sie benutzen? Zersägen wir ihre Wälder nicht zu Brettern und Balken? Zähmen wir ihre Flüsse nicht, auf dass sie unsere Schiff tragen?” Und weil sie jung und ohne Wissen ware, antworteten sein Brüder: “Doch, so soll es sein.”
– Aus den gesammelten Briefen des Schmiedes-im-Exil –
Ach, ich könnte hier noch stundenlang über dieses Spiel plaudern und schwärmen. Dabei war Dark Project nur der erste Teil einer bis mittlerweile drei Teile umfassenden Serie, Teil vier wurde erst vor Kurzem angekündigt. Im zweiten Teil wird die Geschichte noch ein gutes Stück abgefahrener, durch Dampf und Zahnräder betriebene Überwachungskameras und Roboter der Mechanisten – einer Splittergruppe der Hammeriten – stehen Garret ebenso im Wege wie die Priester des Karras und des Erbauers … Hmm, weißt du was? Spiel die drei Teile doch am besten selbst durch! Sie laufen nach wie vor unter Windows Vista und Windows 7, werden durch eine treue Fangemeinde am Leben erhalten und bald durch den vierten Teil wieder in der Öffentlichkeit stehen. Also komm, tu es, tu es – deutlicher als beim CD-Regal-Unfall können die Zeichen nicht werden!
3 Kommentare
gefällt mir gut. Bin auch ein jahrelanger, ungebrochener Thief fan 😀
So eine Atmosphäre haben die neuen Spiele einfach nicht mehr…
Ja, das wird eben nicht umsonst immer wieder von Zeitschriften wie GameStar erwähnt. Wer Thief nicht kennt, wer die Atmosphäre des Spiel nicht am eigenen Leib fühlte, sollte Splinter Cell & Konsorten nicht in den Himmel loben. Denn derjenige kennt eigentlich gar nichts. Ist meine Meinung. Und die von GameStar ^^
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