150 Stunden Cities Skylines: Ein erster Eindruck
150 kostbare Stunden meines mehr oder minder jungen Lebens investierte ich bereits in Cities Skylines – Zeit also, ein erstes Resümee ob dieser Städtebausimulation aus dem schwedischen Hause Paradox Interactive abzugeben. Für Lesefaule vorweg: Auf einer Skala von 1 – 37 vergebe ich mager anmutende 24 Punkte an jenes Spiel, welches meines Erachtens aller Euphorie zum Trotz nicht nur knapp daran scheitert, eine ernst zu nehmende Simulation darzustellen. Die Ursachen dessen, weshalb dies Spiel von mir eine lausige Wertung von lediglich 4² + 7² % erhält, soll im Folgenden aufgedröselt werden:
Nun, kritischen Blickes startete ich noch am Erscheinungstag Cities Skylines, fiebrig erpicht darauf, ein erstes jungfräulich anmutendes Städtekleinod aus dem fruchtbaren Boden eines saftig grünen Flussdeltas zu klöppeln. Kritisch, da die mir durch Maxis’s SimCity 2013 zugefügten Wunden hinsichtlich frecher Simulation einer Simulation bis dato nicht vollends verheilen konnten. Die Devise lautete ergo: Hinfort mit dir, Natur – hallo, Beton ♥
Die Zeichen stehen auf Stau
Erster Eindruck meinerseits: Läuft. Zweiter Eindruck: Steht. Nix ging mehr, meine Stadt versank im Stau. Der Wermut erster Tropfen: Die Wegfindung in Cities Skylines gleicht einer verkappten Farce. Zwar funktioniert selbige um Welten besser denn in SimCity 2013 (was an und für sich auch nicht allzu schwer realisierbar ist), dennoch wird etwa auf weiträumigen mehrspurigen Straßen in der Mehrzahl der von mir beobachteten Fälle nur eine einzige Spur aktiv genutzt. Nehmen wir Autobahnen: Diese sind auf stark frequentierten Abschnitten in der mittleren Spur chronisch verstopft, derweil die beiden anderen Spuren oftmals von gähnende Leere und rollendem Tumbleweed beherrscht werden. Rechts gemächlich dahinrollen, links gasigen Fußes überholen? Pustekuchen! Noch gravierender: Führen zwei für teuer Geld ausgebaute Wege von A nach B, so erstickt der Kürzere im Chaos hupender Blechlawinen, derweil der nur wenige Nanometer längere alternative Weg bar jeglicher Nutzung hoffnungslos vereinsamt und verwittert. Wohl wahr, die größte Gefahr im reellen Straßenverkehr sind Autos, die schneller fahren, als ihr Fahrer denken kann. Auf Verkehrsteilnehmer aus Cities Skylines trifft keines von beiden zu; sie agieren somit frei nach dem Motto: Lieber fünf Stunden im Stau stehen, statt zwei Sekunden der knapp bemessenen Fahrzeit durch Umwege zu verschwenden. Insofern bietet Cities Skylines mitnichten eine ausgefeilte Verkehrsflusssimulation, sondern schickt Fahrzeuge blind und plump auf dem kürzesten Weg vom Start gen Ziel.
Der Tod hält reiche Ernte
Kein Ding, so dachte ich mir, baue ich halt einfach ungleich komplexere Kreuzungen und Straßengeflechte, um diesen Eigenarten des Spiels entgegenzuwirken. Gesagt, getan – doch der zweite Dämpfer folgte sogleich: Seuchenwellen. Immer wiederkehrende Seuchenwellen. Wird ein neuer Stadtteil aus dem Boden gestampft, so ziehen beharrlich neue Bewohner in die frisch errichteten Gebäude. Dies hat zur Folge, dass binnen kürzester Zeit ein merklicher Bevölkerungszuwachs stattfindet. Nachteil: je mehr neue Leute gleichzeitig in eine Stadt ziehen, desto mehr Menschen versterben eines Tages. Und zwar parallel. Zumindest in Cities Skylines. Das bewirkt, dass in bestimmten Abständen – je nach Größe der Stadt – vom einen auf den anderen Moment Hunderte bis Zehntausende Menschen zur gleichen Zeit krepieren. Die Stadt erstickt wortwörtlich im Morast moddriger Leichenberge. Ach was, wird unter ganzen Gebirgen aus Leichen begraben. Der Haken an dieser Sache: Mit verwesenden Leichen versehene Gebäude bereiten den dortigen Bewohnern aus durchaus nachvollziehbaren Gründen Unmut. Ihnen wird übel, sie beginnen zu keifen und murren – und ziehen letztendlich wortlos aus; Vorhang auf für die große Flucht, dem Tode zu entrinnen. Ganze Stadtteile verwandeln sich im Zuge dessen in stinkende Leichen-Geisterstädte. Im Detail hatte dies bei mir zur Konsequenz, dass meine 1.200.000 Einwohner zählende Stadt binnen Minuten auf 540.000 Einwohner implodierte. Problem: Sobald die tausenden Leichen Mensch sein Dank endlich von an der Belastungsgrenze schuftenden Krematorianern abtransportiert und rückstandslos verbrannt waren, füllten sich die von Siffe und Mensch bereinigten Häuser erneut mit frischen, gar motivierten Bewohnern. Hunderttausende Cim zogen binnen weniger Augenblicke in meine von neuer Hoffnung erfüllten Stadt, bevölkerten sie mit quirligen Leben. Und begannen, von Neuem zu altern … Du ahnst es bereits: Ein Teufelskreis ward geboren. Dies makabere Gehabe wiederholte sich alle paar Dekaden und verhinderte schlussendlich das weitere Wachstum meiner Stadt; die Bevölkerungszahlen stagnierten. Grmpf!
Minimaler Durchgangsverkehr
Mehr noch, ab einer gewissen, völlig willkürlich anmutenden Einwohnerzahl hört die “Simulation” urplötzlich auf, eine Simulation darzustellen. Nachfrage nach Wohngebieten, Gewerbegebieten und Industriegebieten existiert fortan nur noch auf dem Konzeptpapier, sie friert regelrecht bei null ein – und zeigt sich resistent gegenüber jeglicher nicht aus Mods entsprungener Gegenmaßnahme. Außerdem kommt der Tourismus zum Erliegen und öffentliche Verkehrsmittel transportieren urplötzlich keinen einzigen Cim mehr. Einstmals pulsierende Städte erstarren somit zu Salzsäulen – dies passierte mir in bis dato drei verschiedenen Fällen. Argh!
Überhaupt, Tourismus und Bus & Bahn. Städte mit siebenstelligen Einwohnerzahlen, imposanten Gebäuden, Sehenswürdigkeiten sowie Flug- und Seehäfen sollen kümmerliche Touristenpulks von wenigen Hundert Individuen per Monat anlocken? Ernsthaft? Der Betrieb eines einzigen Passagierhafens kostet mehr Unterhalt, als alle angereisten Touristen zugleich an Umsatz zu generieren vermögen. Dass im reellen Leben selbst kleinere Städte Touristenzahlen im zweistelligen Millionenbereich verzeichnen können, wurde hier aus welchen Gründen auch immer maßlos außen vor gelassen. Und dann erst der ÖPNV: Vorbildlich ausgebaute U-Bahn- und Busnetze locken in Millionenstädten geradezu wahnwitzig mickrig anmutende Wochenfahrgastzahlen im unteren fünfstelligen Bereich an. Wait WAT? Hey, selbst der RMV in Frankfurt am Main verzeichnete im Jahre 2014 rund 715.000.000 Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr. Und Tokio wiederum – ausschließlich mit U-Bahnen (!) – rund 3,1 Milliarden Fahrgäste pro Jahr.
Am Ende meines Lateins
Weiter im Wermutskontext: Auch das Ressourcenmanagement von Cities Skylines lässt zu wünschen übrig. Ein Beispiel: Meine Bevölkerung benötigt Einkaufsmöglichkeiten in Form schnieker Gewerbegebiete. Soweit, so klar. Besagte Gewerbegebiete wiederum benötigen Waren aus Industriegebieten. Auch kein Ding. Industriegebiete wiederum gieren nach Rohstoffen, welche entweder aus produzierender Industrie stammen – oder über den Weltmarkt importiert werden. Allerdings trat gerade in letzterem Fall wiederholt die Eigenart auf, dass die Industrie zwar lauthals nach Rohstoffen schrie, diese jedoch auf stadteinwärts gerichteten Gleisen und auf Handelslinien der Ozeane im Stau standen. Richtig gelesen, Züge und Schiffe standen im Stau. Die Industrie schimpfte entsprechend und zog schmollend von dannen, Gewerbegebiete folgten, und zu guter Letzt verließen auch die eigentlichen Bewohner meine einst so florierende Stadt. Das Aufrufen an Gigantomanie grenzender, herstellender Industriegebiete vermochte dem nur bedingt entgegenzuwirken; die Probleme hielten sich hartnäckig weiter. Warum auch immer.
Geld wie Heu
Man möchte nun kontern, dass eben jene Aspekte Cities Skylines einen gewissen Reiz respektive Schwierigkeitsgrad verleihen. Doch keineswegs! Im Vergleich zum legendären SimCity 4 lassen sich die Bewohner in Cities Skylines viel zu leicht befriedigen (gnnihihi). Ein paar trostlose Bahnhofparks, eine Hauptschle, eventuell noch Bullerei und Feierwehr – und schon sind alle Bewohner überglücklich. Das Spiel gestaltet es dem Spieler viel zu leicht, eine dauerhafte Zufriedenheit der Bewohner zu gewährleisten; und Zufriedenheit ist bekanntlich der Stein der Weisen, der alles in Gold verwandelt, das er berührt. Geldspeicherweise Moneten sind der lahmen Taten Lohn. SimCity 4 bot diesbezüglich noch wahre Herausforderungen; stetige Expansion, Abstimmungen mit Nachbarstädten, ein feinfühliges Steuermanagement und wohl gewählte Stadtverordnungen waren die einzige Möglichkeit, für dauerhaft grüne Bilanzen zu sorgen. Hinzu kamen unerwartete Herausforderungen in Form von Naturkatastrophen wie Tornados, Erdbeben, Überschwemmungen, Feuersbrünsten, Meteoritenschauern und ähnlicher Desaster. Dies alles existiert in Cities Skylines bis dato nur ansatzweise – oder eben gar nicht. Parks, Straßen, öffentliche Gebäude, zack feddich – und gut ist. Laaaaangweilig!
Ende der Fahnenstange
Und, o Graus – es kam noch enttäuschender: In meinen geliebten Millionenmetropolen geriet ich urplötzlich an im Spiel hartcodiert hinterlegte Barrieren. Jawoll, ich hatte die maximale Anzahl erlaubter Objekte erreicht; konnte fortan weder Straßen noch Gebäude platzieren. Das Spiel lief zwar noch, die vorhandene Stadt pulsierte wie gehabt (und litt unter besagten Seuchenwellen), doch ich war nicht mehr in der Lage, sinnvoll eingreifen zu können. Cities Skylines verkam zum Bildschirmschoner; bis heute existiert keine Mod, welche jene Grenzen anzuheben vermag.
Noch ein letzter Wermutstropfen: Die Simulation jedes einzelnen Cim geschieht in diesem Spiel in der CPU; entsprechend geraten selbst High-End CPUs bei größeren Städten an ihre Belastungsgrenze. Meine acht Kerne beispielsweise rödeln regelmäßig bei knapp 100 % Auslastung. Dies lässt die Simulation mitnichten stocken oder ruckeln, nein, sie läuft dann lediglich langsamer. Deutlich langsamer. Geradezu kriechend, in Zeitlupe, an Rückwärtslaufen grenzend. Wahre prosperierende Millionenmetropolen lassen sich somit auch mit Cities Skylines nicht realisieren. Grrr!
Die Hoffnung stirbt zuletzt
All jene Punkte vermochten meine anfängliche Euphorie zu trüben; lüfteten den schummrigen Schleier um das hoch gefeierte Spiel und zeigten mir unbarmherzig auf, dass Cities Skylines im Kern zwar ein durchaus viele, viele Stunden fesselndes Sandkasten-Städtebauspiel verkörpert, jedoch unter keinen Umständen eine ernst zunehmende Städtebausimulation. Meine Hoffnungen und Sehnsüchte lege ich daher fortan in die Hände der begeisterten Community, welche am laufenden Band Erweiterungen und Verbesserungen noch und nöcher heraushaut. Ich bin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass Cities Skylines mit der Zeit ein würdiger Blutsverwandter für das 2003 erschienene SimCity 4 werden kann. Doch ich wittere ebenso, dass es SimCity 4 in keinster Weise vom Thron stoßen kann. Aber gut, letztendlich wird die Zeit zeigen, wohin dieses Spiel steuert, eventuell versteht es mich eines Tages doch noch positiv zu überraschen. Von mir erhält Cities Skylines daher aktuell auf einer Skala von 1 – 37 Punkten eingangs besagte, gerade noch akzeptable 24 Punkte.
… Ach ja – besser als SimCity 2013 ist es dennoch allemal 😉
2 Kommentare
Ich habe mich, dank positiver Berichterstattungen, sehr auf das Spiel gefreut und es recht schnell gekauft. Soweit wie du bin ich gar nicht erst gekommen, dank Stau warf ich schnell meinen Hut. So macht das Ganze einfach keinen Spaß und ich ärger mich sehr so viel Geld für das Spiel ausgegeben zu haben welches ja an sich gar nicht so schlecht ist. Dann bleib ich bei Sierra und mühe mich mit deren Installation ab.
Erneut Moin Moin YoursSabrina,
der Umgang mit dem unweigerlich anfallenden Blechlawinen in Cities: Skylines erfordert tatsächlich Fingerspitzengefühl. Je größer die Stadt, desto dichter der Verkehr – hiermit tat ich mir anfangs auch etwas schwer. Doch mit der Zeit erlernte ich, die Kolonnen in vorgegebenen Bahnen zu leiten und mit dem massiven Einsatz von Bus & Bahnen spürbar zu entlasten. Und spätestens seit der Einführung der Tunnel ist es dank unterirdisch verlegter Autobahnen realistisch, das Verkehrschaos nachhaltig in den Griff zu bekommen. Allerdings auch bei mir unter dem massiven Einsatz vom Trial and Error-Vorgehen 😉
Geschäftige Grüße, Krony
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